(ots) - Journalisten sollten laut "Philosophie
Magazin"-Chefredakteur Wolfram Eilenberger offensiver streiten. "Ich
bin überzeugt, dass wir vorankommen, indem wir Streit suchen,
wo man ihn sonst nicht findet. Und ihn mit radikaler Offenheit
führen", sagt Eilenberger in einem Interview des "medium
magazins" zur Medienverdrossenheit und Spaltung der Gesellschaft.
Die Flüchtlingskrise ist für Eilenberger ein Wegbereiter für die
"Lügenpresse"-Kritiker. "Sie reduzieren Komplexität, indem sie
sich auf eine Seite schlagen und die anderen Lügner nennen",
sagt Eilenberger. "Die Flüchtlingskrise drängt uns in
Haltungen des Entweder-oder. Es wird bei diesem Thema schnell sehr
emotional und existenziell." Ãœberall kursierten sehr viele
Behauptungen, meint der 43 Jahre alte promovierte Philosoph: "Die
schiere Anzahl verfügbarer Deutungen wirkt desorientierend und
führt zu Misstrauen. Wir müssen Techniken kultivieren,
die erlauben, Multiperspektivität nicht als existenzielle
Verunsicherung zu erleben."
Dabei sei die Sozialisation vieler Journalisten ein Hindernis.
"Ganze Reihenhausgenerationen aus Westdeutschland mit mindestens
halb-akademischem Hintergrund" säßen in deutschen Redaktionen. "Wir
haben sehr wenig Realitätsabgleich. Und wissen dementsprechend
wenig davon, wie schmerzhaft Wirklichkeit sein kann." Und weiter:
"Wir sind nicht nur die Generation der finanziellen, sondern auch der
geopolitischen Analphabeten. Geld war immer da, konkrete
existenzielle Not kennt von Hause aus fast niemand, der heute Zeitung
macht."
Das "medium magazin" sucht in Ausgabe 03-2016 auf elf Seiten
Antworten auf die Frage "Was tun gegen die Schwarz-Weiß-Falle?" Neben
dem Wolfram-Eilenberger-Interview von Anne Haeming (Seite 16-20)
machen sich diverse Journalisten Gedanken, ob sie in ihrem Alltag
eine Schere im Kopf haben: u.a. "Zeit"-Politikchef Bernd Ulrich,
"heute-show"-Moderator Oliver Welke, Deutschlandradio-Journalistin
Jana Wuttke und Dokumentarfilmer Stephan Lamby.
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