(ots) - Die Vereinigten Staaten haben sich in ihrer
Geschichte bisher stets der autoritären Versuchung entziehen können.
Das liegt am Selbstverständnis einer Nation, die ihre Geburt der
Rebellion gegen eine Monarchie zu verdanken hat. Seitdem hat Amerika
nicht nur Pioniere angezogen, die nach einem materiell besseren Leben
strebten. Es bot immer auch den anderswo Verfolgten sicheren Hafen,
hier ein Leben in Freiheit zu führen. Amerikaner zu sein, ist ein
Bekenntnis zu gemeinsamen Werten. Heimatliebe drückte sich deshalb
mehr in einem kindlich-verspielten Patriotismus als in giftigem
Nationalismus aus. All das hat sich mit dem Aufstieg eines
blondierten Reality-TV-Stars und Milliardärs zum Spitzenreiter im
Rennen um die republikanische Präsidentschafts-Nominierung geändert.
Wenn dieser am kommenden "kleinen" Super-Dienstag bei den Vorwahlen
in fünf Bundesstaaten seinen Siegeszug fortsetzt, wird die Partei
Abraham Lincolns zu der des Donald Trumps. Das bisher Undenkbare
tritt plötzlich als reale Möglichkeit ins Bewusstsein. Ja, auch die
USA, das unverzichtbare Vorbild freiheitlicher Demokratien, erweisen
sich verwundbar durch einen Anschlag aus Ignoranz, Dummheit und
Chauvinismus. Das erste Opfer wäre die Republikanische Partei, die
Trumps Gefolgschaft zu lange als nützliche Idioten in ihren Reihen
willkommen hieß. Statt etwas für die ökonomisch bedrängten
Globalisierungs-Verlierer zu tun, hielten sie diese mit Appellen an
deren niedrigste Instinkte bei Laune. Die Eliten einer Partei, die
ein Klima der Ab- und Ausgrenzung genährt, Militarismus zelebriert
und Frauenfeindlichkeit gefördert haben, kämpfen mit stumpfem Schwert
gegen einen Kandidaten, der all das besser als sie in die
Populär-Kultur übersetzen kann. Wie tief die einst respektierliche
Mitte-Rechts-Partei gesunken ist, zeigt das Versprechen der
Konkurrenten Trumps, im Fall seines Sieges, die Reihen hinter ihm zu
schließen. Beschämend, dass weder Marco Rubio noch Ted Cruz oder John
Kasich bei der letzten Republikaner-Debatte klare Worte zu den
Gewaltausbrüchen auf Trump-Kundgebungen fanden, die heute eine
bedrückende Routine sind. Die Medien haben zehn Vorfälle
dokumentiert. Tatsächlich könnten es mehr sein. Dass der
Rechtspopulist den Schlag eines Anhängers in das Gesicht eines
Demonstranten in Fayetteville mit patriotischer Leidenschaft
wegzureden versucht, überrascht nicht. Schließlich ermutigt Trump
seine Fans höchstpersönlich dazu, Störer zu verprügeln. Er bietet
ihnen dafür sogar rechtlichen Beistand an. Nicht minder bedenklich
sind die Übergriffe auf Reporter, die Trump regelmäßig der
Beschimpfung des Publikums aussetzt. In einem Fall langte sein
Wahlkampfmanager selber zu, als er eine Reporterin, die sich dem
Kandidaten mit einer Frage näherte, auf den Boden riss. Wenn Trump an
diesem Dienstag John Kasich und Marco Rubio in deren Heimatstaaten
Ohio und Florida schlägt, kann nur noch ein politischer Kamikaze-Akt
auf dem Wahlparteitag der Republikaner in Cleveland die Nominierung
aufhalten. Das wahrscheinlichere Szenario ist ein Spitzenkandidat,
der offen für eine autoritäre Politik wirbt. Dann wird es an den
Wählern insgesamt liegen, den eigentlichen Anti-Amerikaner auf dem
Weg ins Weiße Haus zu stoppen. Wenn der Trump-Albtraum dann
hoffentlich im November vorüber ist, wird das Land auf ein soziales
Experiment zurückschauen und mit dem Kopf schütteln - über die
Tausenden Anhänger, die den rechten Arm zum Treuschwur hoben, die
Andersdenkende verprügelten und jubelten, wenn ihr Kandidat Mauern,
Folter und Deportation versprach.
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