(ots) - Die Häufung unzulänglicher medizinischer,
psychologischer und psychiatrischer Gutachten, die für Betroffene
etwa in Kindschafts- und Familiensachen sowie im Strafprozess oft von
entscheidender Bedeutung sind, droht das Vertrauen der Öffentlichkeit
in das Sachverständigenwesen insgesamt zu beschädigen. Der
Bundesverband öffentlich bestellter und vereidigter sowie
qualifizierter Sachverständiger (BVS) begrüßt vor diesem Hintergrund
grundsätzlich das Bemühen des Gesetzgebers, Fehlentwicklungen durch
eine Reform des Sachverständigenrechts entgegen zu wirken. "Der
Referentenentwurf, der jetzt im Rechtsausschuss des Bundestages zur
Anhörung gelangt, ist aber weder sachdienlich noch zielführend",
kritisiert BVS-Geschäftsführer Wolfgang Jacobs.
"Die Einwände der mit dem Sachverständigenwesen befassten
Institutionen, insbesondere gegen die geplanten Änderungen in der
Zivilprozessordnung, wurden leider ignoriert. Sollte der Entwurf in
seiner jetzigen Fassung Gesetz werden, blieben alle beklagten
Probleme bestehen", so Jacobs. "Weder würden Gerichtsverfahren
beschleunigt noch stiege die Qualität der Gutachten in den
problematischen Bereichen. Der Gesetzgeber kuriert an den Symptomen,
statt sich um die Ursachen zu kümmern."
Der Gesetzesentwurf beschränkt sich im Kern darauf, Maßnahmen als
verbindlich vorzuschreiben, die schon heute gängig sind, aber im
Ermessen des Gerichts stehen. So können Richter bereits heute
Gutachtern für die Fertigstellung ihrer Expertisen Fristen setzen
oder die Streitparteien vor der Auswahl eines Sachverständigen
anhören. "Das konkrete Verfahrensmanagement sollte weiterhin in der
Hand des Richters bleiben, der den Einzelfall kennt und Erfahrung
mitbringt", empfiehlt Jacobs.
"Warum geraten immer wieder gerade medizinische, psychologische
und psychiatrische Gutachten ins Gerede? Solange der Gesetzgeber
dieser zentralen Frage ausweicht und so tut, als ginge es nur darum,
dem Sachverständigenwesen insgesamt einige neue Regeln zu geben,
greift er zu kurz", so Jacobs. "Der BVS als berufspolitischer
Dachverband öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger
wirbt jedenfalls dafür, die Probleme dort anzupacken, wo sie
entstehen. Es wird höchste Zeit, Qualitätsstandards zu
vereinheitlichen. Dafür gibt es die Möglichkeit, dass der Gesetzgeber
Berufsstände im Rahmen ihrer Selbstverwaltung dazu ermächtigt,
öffentliche Bestellungen und Vereidigungen von Sachverständigen
vorzunehmen und dadurch verbindliche Standards zu setzen. In der
Wirtschaft bewährt sich dieses System seit rund 150 Jahren. Eine
Ãœbertragung auf die Bereiche der medizinischen, psychologischen und
psychiatrischen Gutachtertätigkeit drängt sich geradezu auf", erklärt
Jacobs.
Der BVS fordert die verantwortliche Politik auf, die Empfehlungen
der mit der Materie vertrauten Praktiker, seien es Sachverständige
oder an Gerichten tätige Juristen, endlich ernst zu nehmen. Die große
Chance, das Sachverständigenwesen an einem Punkt, an dem es
augenscheinlich nicht optimal funktioniert, substanziell zu
verbessern und zu stärken, darf nicht vertan werden.
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sowie qualifizierter Sachverständiger e.V. (BVS)
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