(firmenpresse) - Bonn/Berlin - Hinter verschlossenen Türen traf sich Anfang der Woche im Bundeswirtschaftsministerium eine Arbeitsgruppe des Vermittlungsausschusses und beriet das neue Telekommunikationsgesetz (TKG). Bis zu diesem Zeitpunkt gingen die Vorstellungen von Regierung und Opposition über den Gesetzesentwurf deutlich auseinander. "CDU-Chefin Angela Merkel wollte über ihre Fachfrau in der Fraktion, Martina Krogmann, die Position der Telekom zu Gunsten der Konkurrenten beschneiden, die den rot-grünen Vorschlag als ‚unausgegorenes Gesetz, das den Wettbewerb behindert’ kritisierten. Die Regierung wollte an der Stellung der Telekom nicht rütteln. Schliesslich hält Bundesfinanzminister Hans Eichel 43 Prozent der T-Aktien. Die will er bei gutem Börsenkurs so schnell wie möglich verkaufen. Zu viel Wettbewerb schadet da", bericht die Wirtschaftswoche http://www.wiwo.de in ihrer aktuellen Ausgabe. Auf diese Linie ist inzwischen der hessische Ministerpräsident Roland Koch eingeschwenkt. Er ist der Verhandlungsführer der unionsgeführten Länder im Bundesrat. "Nachdem Telekom-Chef Ricke ihm klar gemacht hat, dass es im Zuge der Neustrukturierung des Telekom-Riesen schlecht um Darmstadt als Sitz der T-Online-Zentrale mit weit mehr als 2.000 Mitarbeitern stehe, warf Koch alle in monatelanger Kleinarbeit entwickelten Unions-Positionen zum Telekom-Wettbewerb über Bord. Koch entzog dazu seinem Wirtschaftsminister Alois Rhiel sogar die Federführung für die Verhandlungen im Vermittlungsausschuss und übertrug diese seinem Staatskanzleichef Jochen Riebel. Im engen Kreis erklärte Koch seinen Sinneswandel: ‚Ich möchte den Innovationsstandort retten’. De facto schlägt er sich auf die Seite der Bundesregierung, die ebenfalls Industriepolitik im Interesse der Deutschen Telekom betreibt. Damit dürfte das Ergebnis des Vermittlungsverfahrens, das voraussichtlich am 5. Mai abgeschlossen sein wird, nach dem Geschmack der Telekom ausfallen", schreibt die Wirtschaftswoche.
Das Telekom-Paket zur Liberalisierung der Europäischen Union, Anfang 2002 beschlossen und mit 15 Monaten Umsetzungszeitraum versehen, hätte eigentlich bis Juli 2003 in nationales Recht aller EU-Staaten verankert sein müssen. Neben Deutschland sind weitere fünf Staaten von einer Klage vor dem Europäischen Gerichtshof betroffen. "Gerade dieser Punkt, nämlich die Nicht-Umsetzung von EU-Recht, macht deutlich, dass hinter der Verteidigung des Telekom-Monopols System steckt. Ganz offenkundig sind die Lobbyinteressen in Verbindung mit dem Staat, dem Bundeswirtschaftsministerium und der Regulierungsbehörde so ausgeprägt, dass man den Wettbewerb in der Telekommunikation systematisch untergräbt", kritisiert Ralf Sürtenich von Düsseldorfer Unternehmensberatung insieme business http://www.insieme-business.de. Da längst keine nationalen Konzern-Schwergewichte in diesen Märkten mehr antreten, stehe der althergebrachten Verflechtung des früheren Staatsunternehmens mit den Ministerien, Behörden und Parteien nichts mehr entgegen. "Diskussionen wie in England, wo die Regulierungsbehörde Oftel derzeit die Zerschlagung der British Telecom in eine Netzbetreibergesellschaft und eine Service-Gesellschaft prüft, um den Wettbewerb zu fördern, kommen in Deutschland gar nicht auf", moniert der TK-Experte Sürtenich.
Seitdem sich in der zweiten Hälfte der 90er Jahre deutsche Konzerne wie RWE, Veba und Thyssen wieder aus dem TK-Markt verabschiedet haben, auch Viag den Rückzeug antrat und D2 von Vodafone übernommen wurde, hat die Deutsche Telekom keinen ernstzunehmenden Wettbewerber mehr. Den politischen Kuhhandel zwischen rot-grüner Bundesregierung und der CDU hält Sürtenich für verheerend. "Ohne Wettbewerb wird es keinen Wirtschaftsaufschwung des TK-Marktes geben. Es wird nicht mehr investiert und in der Konsequenz tritt die Branche auf der Stelle. Im Festnetz gerät Deutschland im internationalen Vergleich zunehmend ins Hintertreffen: die Breitband-Penetration wird längst nicht mehr vom Markt und vom Wettbewerb bestimmt, sondern von der Fähigkeit der Deutschen Telekom, ihr Netz auszubauen. Hier zeigt sich, dass der mangelnde Wille der Politik zum echten Wettbewerb im Telekommunikationswesen, zur Gesamtsituation Deutschlands beiträgt: die Zukunftsmärkte und die Innovationen entwickeln sich in anderen Ländern und die Dienstleistungsbranche bleibt weiter unterentwickelt", so Sürtenich. Schon jetzt betrage der Marktanteil der Deutschen Telekom bei vielen Diensten 90 Prozent und mehr. Und da, wo die kleinen Wettbewerber tatsächlich nennenswerte Marktanteile verzeichnen, gehe über Interconnection-Gebühren und Leitungskosten ein grosser Teil der Einnahmen wieder an die Deutsche Telekom. "So setzt der Quasi-Monopolist massiv seine Infrastruktur dafür ein, um den Zukunftsmarkt Breitband mit 3,5 Millionen der insgesamt 4,1 Millionen DSL-Anschlüsse für sich zu vereinnahmen und jeglichen Wettbewerb über Kabelfernsehen, Richtfunk oder Powerline (digitale Übertragung über die Stromversorgung) durch eine aggressive Preispolitik zu ersticken. Mit der Ankündigung, rund 10.000 Hot Spots für öffentliche WLAN-Dienste einzurichten, versucht die Deutsche Telekom nun, den nächsten Trend im TK-Markt zu schlucken. Durch Anschaltung der WLAN-Zugänge über ihre DSL-Infrastruktur hat die Telekom hier wieder entscheidende Vorteile gegenüber potenziellen Wettbewerbern. So wie der DSL-Rollout an den Besitz der Teilnehmeranschlussleitung und der Ortsverteiler anknüpfte, so schliesst nun der WLAN-Rollout ebenfalls an eine bestehende und überlegene Infrastruktur an", führt Sürtenich weiter aus.