(ots) - In seiner heute veröffentlichten Stellungnahme legt
der Deutsche Ethikrat Empfehlungen für eine am Patientenwohl
orientierte Ausgestaltung der Krankenhausversorgung vor.
Die Krankenhausversorgung ist seit Jahrzehnten Gegenstand
kontroverser politischer Debatten. Sie entzünden sich etwa an der
allgemeinen Kostenentwicklung im Gesundheitswesen, an Innovationen in
der Medizin, an veränderten Erwartungshaltungen der Patienten und an
der demografischen Entwicklung. Der zunehmende ökonomische Druck,
insbesondere auch auf den Krankenhaussektor, wirft zunehmend Fragen
nach dem leitenden normativen Maßstab der Krankenhausversorgung auf.
Als maßgebliches ethisches Leitprinzip stellt der Deutsche
Ethikrat das Patientenwohl in den Mittelpunkt seiner Stellungnahme.
Drei Kriterien bestimmen das Patientenwohl: die
selbstbestimmungsermöglichende Sorge für den Patienten, die gute
Behandlungsqualität sowie Zugangs- und Verteilungsgerechtigkeit.
Mit Blick auf diese drei Kriterien ergeben sich unterschiedliche
Konfliktfelder. Diese betreffen vor allem die schwindenden
Möglichkeiten einer angemessenen Kommunikation in der Arzt-Patient-,
Pflegende-Patient- und Therapeut-Patient-Beziehung sowie die
zunehmende Schwierigkeit für die im Krankenhaus Tätigen, ihre
berufsethischen Pflichten umzusetzen. Zudem erweist es sich
insbesondere mit Blick auf Patientengruppen mit besonderen Bedarfen
als zunehmend problematisch, für sie einen gleichen Zugang zu
Krankenhausleistungen und eine gerechte Verteilung der Ressourcen
sicherzustellen. Dies betrifft Kinder und Jugendliche, Patienten in
hohem Lebensalter, Patienten mit geriatrietypischen Erkrankungen, mit
Demenz, mit Behinderung und Patienten mit Migrationshintergrund.
Der Deutsche Ethikrat legt 29 Empfehlungen zur Verankerung und
Gewährleistung der Patientenwohlorientierung in der
Krankenhausversorgung vor.
Zunächst empfiehlt der Ethikrat, eine bessere Kommunikation im
Krankenhaus sicherzustellen. Dazu gehört die Förderung der
kommunikativen und interkulturellen Kompetenz aller im Krankenhaus
Tätigen. Diesbezüglich sollten Aus-, Fort- und Weiterbildungsangebote
entwickelt werden. Zudem sollte der zeitliche und organisatorische
Aufwand bei den Vorgaben für die Vergütung innerhalb des DRG-Systems
berücksichtigt werden. Dies betrifft sowohl die Kommunikation mit
Patienten als auch die interprofessionelle Kommunikation.
Des Weiteren sollte die Situation der Pflege im Krankenhaus
nachhaltig verbessert werden. Unter anderem sollten
Pflegepersonalschlüssel in Abhängigkeit von Stations- und
Bereichsgrößen für Krankenhäuser entwickelt und die Voraussetzungen
für eine personale Kontinuität in der Pflege der Patienten geschaffen
werden.
Zur Weiterentwicklung des DRG-Systems empfiehlt der Ethikrat,
Fehlanreizen entgegenzuwirken, die dem Patientenwohl entgegenstehen,
z. B. indem sie eine vorzeitige oder verzögerte Entlassung oder
Verlegung eines Patienten nahelegen. So sollte bei multimorbiden
Patienten die Abrechnung von zwei und mehr DRGs für einen
Krankenhausaufenthalt ermöglicht werden. Für hochaltrige Patienten,
Patienten mit seltenen Erkrankungen oder Patienten mit besonderen
Verhaltensauffälligkeiten sollten neue Vereinbarungsmöglichkeiten für
Zusatzentgelte geschaffen werden. Zur Vermeidung unnötiger Eingriffe
und Prozeduren sollten Vergütungsmodelle entwickelt und geprüft
werden, in denen auch die begründete Unterlassung etwaiger Maßnahmen
ihren Niederschlag findet.
Zum Ausbau qualitätssichernder Strukturen sollte ein Programm des
Bundes die Einrichtung multidisziplinärer Zentren fördern, die sich
an bestimmten Krankheitsbildern orientieren.
Die Dokumentationspflichten sollten vereinfacht werden, um mehr
Zeit für die Patientenversorgung zu gewinnen. Hierzu sollten unter
anderem Modelle mit digitaler Unterstützung entwickelt und erprobt
werden.
Zur besseren Krankenhausversorgung für Patientengruppen mit
besonderen Bedarfen empfiehlt der Ethikrat unter anderem,
kinderspezifische DRGs einzuführen bzw. die Kindermedizin vom
DRG-Abrechnungssystem zu entkoppeln. Für Menschen mit Behinderung
sollten im Sinne der UN-Behindertenrechtskonvention Krankenhäuser
barrierefrei gestaltet und Bedingungen geschaffen werden, die ihren
besonderen Belangen gerecht werden. Außerdem sollte allen Menschen
mit Behinderung der Zugang zur Leistung zusätzlicher Assistenzpflege
im Krankenhaus ermöglicht werden. Für Patienten mit Demenz sollten
demenzsensible Versorgungsstrukturen gefördert werden.
Darüber hinaus schlägt der Deutsche Ethikrat vor, transparente
Kriterien für eine primär am Patientenwohl ausgerichtete
Krankenhausplanung zu entwickeln. Auch wird empfohlen,
bundeseinheitliche Standards für die Krankenhausplanung einzuführen
und die Schnittstellenproblematik zwischen stationärem und ambulantem
Sektor erneut unter dem besonderen Aspekt des Patientenwohls
systematisch zu analysieren und zu evaluieren.
Der vollständige Text der Stellungnahme findet sich unter
http://ots.de/LfD3f.
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