(ots) - In immer mehr Honigproben ist das Nervengift
Thiacloprid nachzuweisen. Bestimmte Konzentrate mit dem Wirkstoff aus
der Schädlingsbekämpfung dürfen an Kleingärtner inzwischen nicht mehr
abgegeben werden. Doch Stichprobenkäufe im Internet ergaben das
Gegenteil. Auch in der Landwirtschaft wird es weiter massiv
eingesetzt - und der Grenzwert für Thiacloprid im Honig könnte sogar
demnächst wieder heraufgesetzt werden. Das haben Recherchen des
Verbrauchermagazins "Markt" im NDR Fernsehen ergeben.
Sowohl in der deutschen Landwirtschaft, als auch in privaten
Kleingärten wird seit Jahren mit Thiacloprid, das zur Klasse der
Neonicotinoide zählt, gegen saugende und beißende Insekten gespritzt.
Doch die Bedenken europäischer Wissenschaftler wachsen, dass dies
auch wichtige Blüten-Bestäuber wie Honigbienen, Wildbienen und
Hummeln schädigt. Der anerkannte Neurobiologe Prof. Randolf Menzel,
der zahlreiche Versuche mit Honigbienen durchgeführt hat, zu "Markt":
"Schon in niedrigen Dosen wird ganz massiv das Verhalten verändert."
Auch im Honig, einem als besonders gesund geltenden Lebensmittel,
kommt der Wirkstoff Thiacloprid inzwischen immer häufiger vor.
Untersuchungen des Bundesamtes für Verbraucherschutz und
Lebensmittelsicherheit haben ergeben, dass in zahlreichen Honigproben
nachweisbare Mengen des Schädlingsbekämpfungsmittels enthalten waren.
Im Jahr 2015 waren von 237 Honigproben schon 73 mit Thiacloprid
belastet.
Schädlingsbekämpfungsmittel für private Anwender, die z. B. neun
Gramm pro Liter Thiacloprid enthalten und für die der Hersteller
Bayer CropScience AG aus Monheim die Zulassung in Deutschland zum 21.
August 2015 zurückgerufen hat, dürfen seit dem 21. Februar 2016 nicht
mehr angeboten und verkauft werden. Die Bayer CropScience AG sagte
"Markt" dazu: "Bayer hat im Anfang des Jahres 2015 die strategische
Geschäftsentscheidung getroffen, den Vertrieb seiner
Endverbraucherprodukte auf Basis von Thiacloprid einzustellen und
deutsche Händler ab Mitte Mai 2015 nicht mehr mit den entsprechenden
Produkten zu beliefern."
"Markt"-Reportern gelang es jedoch in mehreren Fällen, nicht mehr
zugelassene Konzentrate noch nach dem 21. Februar 2016 im Internet
problemlos zu erwerben. Eine Online-Händlerin, die Markt belieferte,
sagte dazu, dass weder sie noch ihr Großhändler über den Widerruf der
Zulassung informiert worden seien. Der Hersteller hält dagegen:
"Bayer hat im Jahr 2015 Händler frühzeitig über den geplanten
Verkaufsstopp informiert und eng mit ihnen und den zuständigen
Behörden zusammen gearbeitet." In der Praxis scheint sich das noch
nicht ausreichend herumgesprochen zu haben.
"Markt" erfuhr auch: Der Grenzwert für Thiacloprid im Honig in der
Europäischen Union könnte sogar wieder von 0,05 mg/ kg Honig auf 0,2
mg/ kg Honig angehoben werden. Grundlage ist eine Bewertung der
Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) vom 1. März
2016, die zu dem Ergebnis kam, dass dieser Wert gesundheitlich
unbedenklich sei. Die Bayer CropScience AG hatte sich für eine
Heraufsetzung des Grenzwertes stark gemacht, wie ein "Markt"
vorliegendes Informationsschreiben an den Handel zeigt. Bayer sagt
dazu: "Bayer geht davon aus, dass die Absenkung des MRL (Maximum
Residue Level = Rückstands-Höchstmengenwert, Anm.d. Red.) für
Thiacloprid im Honig durch die EU-Kommission versehentlich erfolgte.
(...) Wie EFSA ist auch Bayer davon überzeugt, dass der ursprüngliche
MRL-Wert von 0,2 mg/kg für Verbraucher sicher ist und dass dieser
Honig bedenkenlos verkauft werden kann."
Laut einer Einschätzung der Europäischen Chemikalienagentur ECHA
kann das Mittel jedoch die Fortpflanzung des Menschen
beeinträchtigen. Laut Sicherheitsdatenblatt des Herstellers selbst
steht es zudem im Verdacht, krebserzeugende Wirkung beim Menschen zu
haben.
Mancher Kleingärtner, der gutgläubig ein thiaclopridhaltiges
Schädlingsbekämpfungsmittel mit der Kennzeichnung " nicht
bienengefährlich" erworben und arglos auf die eigenen Obstbäume
gesprüht hat, kann sich angesichts dieser Umstände nur ärgern - oder
wundern. Der BUND konnte sich im Jahr 2015 gegen die Bayer AG in
einem Prozess durchsetzen, in dem es um die Zulässigkeit seiner
Bewertung der Kennzeichnung "nicht bienengefährlich" als
"Verbrauchertäuschung" ging. Der BUND darf nun nach einem Urteil des
Düsseldorfer Landgerichtes weiter behaupten, zwei von Bayer
hergestellte Produkte mit dem Wirkstoff Thiacloprid seien schädlich
für Bienen. Bayer verzichtete darauf, gegen dieses Urteil Berufung
einzulegen. Die Bayer CropScience AG zu "Markt: "Wir halten die
Aussage des BUND nach wie vor für inhaltlich unzutreffend." Denn
Bayer sieht in Thiacloprid weiter einen "wichtigen Baustein eines
abgestimmten Resistenzmanagements in der Schädlingsbekämpfung".
Jean-Marc Bonmatin, ein französischer Forscher, der an einer
Meta-Studie mitgearbeitet hat, für die rund 800 Einzelstudien der
letzten zwei Jahrzehnte zum Thema Neonicotinoide ausgewertet wurden,
bewertet das anders: "Die Beweise sind eindeutig. Wir sind Zeuge
einer Bedrohung der Produktivität unserer natürlichen und
landwirtschaftlichen Umwelt, vergleichbar mit der Gefahr durch DDT".
Mehr zum Thema in der Sendung Markt, Montag, 2.Mai.2016, um 20.15
Uhr im NDR Fernsehen. Im Internet: www.NDR.de/markt.
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