(ots) - Das Gutachten zur Rehabilitierung der Opfer des
antihomosexuellen Paragrafen 175 ist ein Meilenstein bei
rechtspolitischen Aufräumarbeiten. Um es zu verstehen, muss man sich
in Erinnerung rufen, dass homosexuelle Männer bis 1969 nicht einfach
nur diskriminiert, ausgegrenzt und zum Schweigen gebracht wurden. Sie
wurden strafrechtlich verfolgt. Die Gesetzeslage war vollständig und
mit Absicht seitens der neuen politischen, christlich gesinnten Elite
der Bundesrepublik dem Nationalsozialismus entnommen.
Angst, nicht Lust war das vorherrschende Gefühl für einen Mann,
der Männer begehrte. Erwischt zu werden bedeutete, potenziell im
Gefängnis zu landen. Zwischen 1949 und 1969 wurden genauso viele
schwule Männer verurteilt wie zwischen 1933 und 1945. Dass die in der
neuen Bundesrepublik Verurteilten keinen Rosa Winkel tragen mussten:
ein mieser Trost.
Die Initiative der Antidiskriminierungsstelle eröffnet
schmerzliche Diskussionen in deutschen Familien: über männliche
Angehörige, oft auch Väter, über die man nicht sprach, weil sie als
"warme Brüder" erwischt und zu Aussätzigen wurden - zerstört in einem
fundamentalen Sinne.
Die schwulen Verurteilten gehören rehabilitiert, zurück in ihre
bürgerliche Ehre versetzt. Die Gesetze gegen sie widersprachen allen
schon damals geltenden Menschenrechten. Darüber hinaus wäre der nun
zu führenden politischen Diskussion zu wünschen, ja, ihr abzufordern:
Am Ende müsste sich auch eine Person wie der Bundespräsident
öffentlich für das Unrecht an Homosexuellen entschuldigen.
Dass Deutschland im Hinblick auf die Ehefähigkeit Homosexueller im
Vergleich mit Irland, Skandinavien, Frankreich, Spanien, Neuseeland
und Großbritannien noch immer rückständig ist, liegt auch an der
Paragraf-175-Vergangenheit dieses Landes: ein Hass- und
Denunziationsparagraf, dessen Einschüchterungskraft in gewisser Weise
in Hunderttausenden von Familien noch nachlebt.
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