(ots) - Bundespräsident Joachim Gauck hat sich noch nicht
offiziell über seine Zukunft geäußert. Dennoch spricht sehr viel
dafür, dass er seinen Verzicht auf eine zweite Amtsperiode
bekanntgeben wird. Im Gespräch mit Gauck war zuletzt deutlich zu
merken, wie sehr er mit der Entscheidung rang. Gauck liebt dieses
Amt, es ist ihm Leidenschaft und Verpflichtung zugleich.
Er weiß um seine politische und gesellschaftliche Verantwortung,
und er weiß, dass der Zeitpunkt eines Amtswechsels im Februar
nächsten Jahres kaum ungünstiger sein kann. Drei Monate vor der
Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen, die wiederum als richtungweisend
für die Bundestagswahl im Herbst gilt, besteht die große Gefahr, dass
die Entscheidung über die Gauck-Nachfolge in den wahl- und
parteitaktischen Strudel gerät. Dass es nicht um den richtigen Mann
oder die richtige Frau geht, sondern um Stimmungen, um Optionen, um
Machtkalkül.
Dabei stehen die Parteien auch in der Pflicht, das politische Erbe
Joachim Gaucks zu bewahren. Nach den unglücklichen Amtsperioden
seiner Vorgänger Horst Köhler und Christian Wulff hat Gauck die Würde
des Amtes ins Schloss Bellevue zurückgebracht. Er ist ein
hervorragender Bundespräsident, charismatisch und authentisch,
angemessen im Auftreten, klar in der Aussage, zugleich versöhnlich
und diplomatisch, wenn es der Anlass verlangt. Dass er sich trotz der
parteiübergreifenden Unterstützung und trotz der großen Beliebtheit
in Deutschland gegen eine zweite Amtszeit entschieden hat, verdient
Respekt. Gauck ist 76 Jahre alt und wird auf dem Höhepunkt seines
Ansehens gehen.
Dies alles macht die Nachfolge-Suche umso schwieriger. Es gibt
Kandidaten, die geeignet und beliebt sind, die aber aufgrund der
Wahltermine nicht durchsetzbar sein werden. Das gilt vor allem für
Außenminister Frank-Walter Steinmeier. Für ihn kommt die
Bundespräsidenten-Wahl im Februar wohl ein Jahr zu früh.
Durchaus realistisch ist die Prognose, dass das nächste
Staatsoberhaupt aus dem Ruhrgebiet stammt. Neben Finanzminister
Wolfgang Schäuble werden dem Bochumer Norbert Lammert zu Recht gute
Chancen eingeräumt, Kandidat der Union zu werden und sich im dritten
Wahlgang mit einfacher Mehrheit durchzusetzen. In der NRW-CDU heißt
es immer wieder, Lammert habe schon Ambitionen auf die
Köhler-Nachfolge gehabt und sei über den Alleingang von Angela Merkel
hin zu Christian Wulff erbost gewesen. Er selbst würde dies natürlich
nicht bestätigen. Auch äußert er sich derzeit nicht zu Spekulationen,
sondern verweist auf Joachim Gauck. Es gebiete der Respekt, erst
dessen offizielle Stellungnahme abzuwarten. Jede andere Antwort wäre
auch falsch.
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