(ots) - Ärzte ohne Grenzen kritisiert die Bundesregierung
scharf für ihre aktuelle Flüchtlingspolitik. "Mit dem von ihr
maßgeblich ausgehandelten EU-Türkei-Abkommen ist Bundeskanzlerin
Merkel zur Vorreiterin der Aussperrung von Schutzsuchenden aus Europa
geworden", sagte Geschäftsführer Florian Westphal bei der
Jahrespressekonferenz von Ärzte ohne Grenzen Deutschland am
Donnerstag in Berlin. Die Folgen dieser Politik sehen die Teams der
internationalen Hilfsorganisation jeden Tag - in Europa, an seinen
Außengrenzen und bis in die Krisengebiete hinein. In bewaffneten
Konflikten werde es gleichzeitig immer schwieriger, den Bedürftigen
zu helfen, so Volker Westerbarkey, Vorstandsvorsitzender von Ärzte
ohne Grenzen Deutschland. Helfende würden hier selbst zum
Angriffsziel. Im Jahr 2015 gab es 106 Angriffe auf 75 von Ärzte ohne
Grenzen unterstützte oder betriebene Einrichtungen.
"Die EU und ihre Mitgliedstaaten torpedieren das Grundrecht eines
jeden, vor Gewalt zu fliehen und außerhalb des Heimatlandes Schutz zu
suchen", so Westphal. "Als Folge dieser EU-Politik sind in diesem
Jahr bereits fast 3.000 Menschen im Mittelmeer ertrunken: Einer alle
80 Minuten." Eine Syrerin beschreibt die Lage der Schutzsuchenden so:
"Wir dürfen kein Flugzeug besteigen, wir dürfen nicht mit dem Schiff
nach Europa fahren, auch nicht über Land. Es gibt keinen legalen Weg.
Die Botschaft ist kristallklar: Wir müssen den Tod riskieren, um nach
Europa zu kommen." Ärzte ohne Grenzen ist seit Ende April wieder mit
drei Schiffen im zentralen Mittelmeer aktiv und hat bislang mehr als
3.500 Menschen aus Seenot gerettet. Westphal forderte von der EU
legale Fluchtwege, mehr Einsatz bei der Seenotrettung sowie würdige
Aufnahmebedingungen in Griechenland und Italien. Das Abkommen
zwischen EU und Türkei nannte er zynisch und warnte davor, dass es
zum "gefährlichen Präzedenzfall" für Abkommen mit afrikanischen
Staaten werden könne.
In bewaffneten Konflikten werden immer öfter medizinische
Einrichtungen angegriffen. 2015 gab es außer dem in der
Öffentlichkeit stark wahrgenommenen Angriff auf das Krankenhaus von
Ärzte ohne Grenzen im afghanischen Kundus Angriffe auf von der
Organisation betriebene und unterstützte Einrichtungen in Syrien, im
Südsudan, in der Zentralafrikanischen Republik, in der Ukraine und im
Jemen. "Angriffe auf Gesundheitseinrichtungen und humanitäre Helfer
darf es nicht mehr geben", forderte Westerbarkey. "Patienten und
Helfer werden getötet oder verwundet und Zehntausende ohne
lebensnotwendige Gesundheitsversorgung zurückgelassen. Die Resolution
des UN-Sicherheitsrates von Anfang Mai zum Schutz medizinischer
Hilfe, für die Deutschland Ko-Sponsor war, ist ein Schritt in die
richtige Richtung. Auch Deutschland ist nun gefordert, sie in die Tat
umzusetzen."
Ärzte ohne Grenzen Deutschland hat 2015 insgesamt 125,1 Mio. Euro
eingenommen. 116,6 Mio. Euro (93,2%) stammten aus privaten Spenden
und Zuwendungen. Das waren 2,9 Mio. Euro mehr als 2014. Die Ausgaben
lagen 2015 bei 140,2 Mio. Euro. 125,2 Mio. EUR (89,3%) flossen direkt
in rund 80 Projekte in mehr als 40 Einsatzländern.
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