(ots) - Aus Protest gegen die Abschottungspolitik
der Europäischen Union wird Ärzte ohne Grenzen keine Gelder mehr bei
der EU und ihren Mitgliedstaaten beantragen. Das hat die
internationale Hilfsorganisation am Freitag in Brüssel angekündigt.
"Wir sehen in unseren Projekten jeden Tag, welches Leid die aktuelle
EU-Politik verursacht", begründet Florian Westphal, Geschäftsführer
von Ärzte ohne Grenzen Deutschland, die Entscheidung. Die
Organisation verzichtet damit auf Finanzierungen in Höhe von derzeit
rund 50 Millionen Euro jährlich und setzt verstärkt auf
Privatspender. Auch bei der Bundesregierung werden keine neuen Gelder
beantragt.
"Die verheerenden Auswirkungen der EU-Abschottungspolitik für
Menschen auf der Flucht, besonders für verletzliche Gruppen wie
Schwangere, Kinder und unbegleitete Minderjährige, erleben unsere
Teams täglich - in Europa, an dessen Außengrenzen und bis in die
Herkunftsländer hinein", so Westphal. Drei Monate nach Inkrafttreten
des EU-Türkei-Abkommens sitzen als direkte Folge mehr als 8.000
Schutzsuchende auf den griechischen Inseln fest. Darunter sind
Hunderte unbegleitete Minderjährige und viele Familien, die vor den
Kriegen in Syrien, Irak und Afghanistan geflohen sind. Sie werden
unter völlig unzureichenden Bedingungen oft monatelang in überfüllten
Lagern festgehalten und müssen mit der Abschiebung in die Türkei
rechnen.
"Der EU-Türkei-Deal ist kein Erfolg, wie die deutsche Regierung
behauptet. Er versucht nur, Notleidende aus Europa fernzuhalten", so
Westphal. "Vielmehr ist er ein gefährlicher Präzedenzfall für die
Politik anderer Staaten jenseits der EU. Wir sehen schon jetzt einen
Dominoeffekt geschlossener Grenzen. Die EU-Staaten sind durch ihre
Abschottung zur Türkei mit dafür verantwortlich, dass im Norden
Syriens rund 100.000 Vertriebene nur wenige Kilometer entfernt von
der Front mit dem so genannten Islamischen Staat an der türkischen
Grenze festsitzen, die ebenfalls geschlossen ist."
Ärzte ohne Grenzen leistet derzeit Hilfe für Flüchtlinge und
Vertriebene in mehr als 40 Ländern, darunter in Griechenland,
Serbien, Frankreich und Italien sowie auf drei Rettungsschiffen im
Mittelmeer. In den vergangenen 18 Monaten haben die Teams etwa
200.000 Flüchtende in Europa behandelt. Die Hilfe in Europa wird
bereits ausschließlich aus Privatspenden finanziert.
Ärzte ohne Grenzen finanziert sich zu 92 Prozent aus
Privatspenden. Der Anteil institutioneller Gelder liegt bei knapp 7
Prozent. Im Jahr 2015 erhielt Ärzte ohne Grenzen 19 Millionen Euro
von EU-Institutionen, 37 Millionen Euro von EU-Mitgliedstaaten sowie
6,8 Millionen Euro von Norwegen, von dem ebenfalls keine Gelder mehr
angenommen werden.
Vom Auswärtigen Amt (AA) erhielt Ärzte ohne Grenzen im Jahr 2015
3,9 Millionen Euro für Projekte in fünf afrikanischen Ländern. Für
das Jahr 2016 wurden Finanzierungsverträge über 4 Millionen Euro für
Projekte in fünf Staaten in Afrika abgeschlossen, die noch erfüllt
werden. Neue Mittel wird Ärzte ohne Grenzen beim AA nicht beantragen.
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