(ots) - Selten waren die Zeiten, sicherheitspolitisch
betrachtet, so stürmisch wie jetzt vor dem Nato-Gipfel kommende Woche
in Warschau. Islamistische Terrorristen halten immer noch große Teile
Syriens und des Irak unter ihrer Knute. Verblendete Gotteskrieger
wüten im Norden und Süden Afrikas sowie in asiatischen Ländern. Und
sie tragen den hinterhältigen Terror bis hinein ins Herz
westeuropäischer Hauptstädte wie London, Paris oder Brüssel. Die USA
sind ohnehin im Fadenkreuz. Neben diesen Formen der sogenannten
asymmetrischen Bedrohung und Kriegsführung haben lokale Konflikte
nicht etwa an Bedeutung verloren. Von der russischen Annexion der
ukrainischen Krim, dem unerklärten Krieg in der Ostukraine bis zum
Wiederaufflammen des Kriegs um Bergkarabach zwischen Armenien und
Aserbaidschan. Unruhen im Mittleren Osten und Nordafrika wiederum
lassen die Menschen von dort flüchten. Die Welt ist aus den Fugen
geraten, wie Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier sagte. Dem
westlichen Verteidigungsbündnis kommt in dieser Zeit eine wichtige,
eine unersetzbare Aufgabe zu. Die Nato muss zugleich stabilisierend
und deeskalierend wirken, aber auch weiterhin entschlossen
abschreckend sowie notfalls effektiv eingreifend. Eine solche Art von
Doppelstrategie hat die Nato bereits in den heißen Zeiten des Kalten
Krieges erfolgreich praktiziert. Es kommt nun darauf an, diese
richtige Strategie unter den gründlich veränderten weltpolitischen
und geostrategischen Bedingungen neu durchzubuchstabieren. Das
Verhältnis zu Russland ist dabei einer der Knackpunkte. Sowohl was
die Sicherheit in Europa als auch was die weltpolitische Bühne
betrifft. Kremlchef Wladimir Putin bringt inzwischen sogar wieder die
Möglichkeit atomarer Schläge ins Spiel. Etwa als er jetzt während
seines Finnlandbesuchs vor einem Beitritt Schwedens und Finnlands zur
Nato warnte. Das mit Milliarden Rubel modernisierte Kernwaffenarsenal
Russlands spielt eine wichtige Rolle im russischen Poker um
Einflusssphären. Die künftige Nato-Politik gegenüber Moskau muss
einerseits russische Interessen kennen und in Rechnung stellen.
Andererseits jedoch darf sich das Bündnis nicht schwach, nicht
angreifbar zeigen. Der Zustrom osteuropäischer Staaten von Bulgarien
bis ins Baltikum in die Nato war vor allem der Furcht vor Moskau
geschuldet. Das westliche Militärbündnis versprach nahezu totalen
Schutz vor dem ungeliebten östlichen Nachbarn. Dass die Nato in der
Folge jedoch fast bis vor Putins Haustür vorrückte, war ein schwerer
Schlag, ein Affront gegen die einstige Weltmacht. Die Hardliner in
Moskau haben das nie verwunden. Vor diesem brisanten Hintergrund
sollte in Warschau ein zweifaches Signal ausgesandt werden: Erstens
die klare Botschaft, dass alle Nato-Mitglieder zuverlässig geschützt
werden. Zweitens jedoch, dass der Gesprächsfaden zu Russland wieder
geknüpft wird. Dass der nach Krim-Annexion auf Eis gelegte
Nato-Russlandrat gleich nach dem Warschauer Gipfel wieder tagen soll,
ist ein ermutigendes Zeichen. Zuletzt hat auch Putin durchblicken
lassen, dass er an einer Wiederannäherung interessiert ist. Die
riskanten russischen Militärflüge über der Ostsee könnten eingestellt
werden. Auch der Kremlchef beherrscht das Spiel auf zwei Klaviaturen.
Deutschland wiederum kann im vielschichtigen Beziehungsgeflecht der
Nato zu Russland eine Sonderrolle spielen. Berlin unterhält, trotz
Krim und trotz Sanktionen, die engsten Beziehungen zu Moskau. Merkel
telefoniert regelmäßig mit Putin. Das ist, trotz aller Unterschiede
etwa in Demokratie- oder Menschenrechtsfragen, ein Pfund, mit dem es
zu wuchern gilt.
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