(ots) - Der Ökoenergieanbieter Greenpeace Energy fordert
EU-Kommissar Günther Oettinger auf, öffentlich dazu Stellung zu
nehmen, ob er mutmaßliche Geheimgespräche mit der ungarischen
Regierung über den Bau des Atomkraftwerks Paks II geführt hat. Laut
Medienberichten sei Oettinger im Mai zu einem inoffiziellen Treffen
nach Budapest gereist. Dabei habe der deutsche EU-Kommissar dem
ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán Unterstützung für das
umstrittene AKW-Projekt signalisiert. Während die deutsche
Bundesregierung die Berichterstattung auf eine parlamentarische
Anfrage der Grünen Bundestagsabgeordneten Sylvia Kotting-Uhl hin
offenbar indirekt bestätigte, hat Oettingers Büro die Vorwürfe in
einem Brief an die Parlamentarierin abgestritten. "Jetzt brauchen wir
Aufklärung, denn wenn Oettingers heimliche Atomdiplomatie tatsächlich
so stattgefunden haben sollte, dann widerspräche das eklatant dem
laufenden Beihilfeprüfverfahren, das die EU-Kommission wegen Paks II
gegen Ungarn eingeleitet hat", sagt Sönke Tangermann, Vorstand bei
Greenpeace Energy.
In dem Ende 2015 gestarteten Ermittlungsverfahren untersucht
Brüssel derzeit, ob die Vereinbarungen für das AKW Paks II gegen
geltendes europäisches Beihilfe- und Ausschreibungsrecht verstoßen.
Der Bau der beiden geplanten Druckwasserreaktoren südlich von
Budapest soll mit rund 2,5 Milliarden vom ungarischen Staat direkt
subventioniert werden, den Großteil der Kosten von zehn Milliarden
Euro soll zunächst ein russischer Kredit abdecken. Die Reaktortechnik
für den Bau kommt ebenfalls aus Russland. Eine förmliche
Ausschreibung für das Projekt gab es nicht, große Teile der bereits
geschlossenen Vereinbarungen hat die ungarische Regierung als geheim
eingestuft.
Greenpeace Energy hatte sich im vergangenen Frühjahr mit einer
offiziellen Stellungnahme in das Prüfverfahren der EU-Kommission
eingeschaltet. Zudem konnte die Energiegenossenschaft durch eine
wissenschaftliche Studie belegen, dass ein hochsubventioniertes AKW
Paks II durch importierten Atomstrom auch den Strommarkt in
Deutschland zu Lasten erneuerbarer Energieanbieter verzerrt. Im April
hatte die EU-Kommission Greenpeace Energy deshalb im Rahmen des
Verfahrens zur Anhörung eingeladen.
"Wenn an den jetzt geäußerten Vorwürfen etwas dran ist, entstünde
der Eindruck, dass Brüssel zwar nach außen hin akribisch prüft, aber
Herr Oettinger hinter den Kulissen bereits einen atomfreundlichen
Deal mit Ungarn aushandeln würde", sagt Sönke Tangermann. "Dies wäre
eine herbe Enttäuschung für uns als Verfahrensbeteiligte - und für
jeden, der auf die EU-Kommission als strenge und neutrale Hüterin der
Wettbewerbsregeln in der Union setzt."
Der Greenpeace-Energy-Vorstand kündigte an, gemeinsam mit seinem
Rechtsbeistand mögliche Konsequenzen zu prüfen, wenn sich erhärten
sollte, dass sich EU-Kommissar Oettinger parallel zum laufenden
Prüfverfahren für den ungarischen AKW-Bau einsetzen sollte. "Wir
erwarten, dass auch die zuständige Generaldirektion Wettbewerb klar
jedwede politische Beeinflussung der Prüfverfahren zurückweist", so
Tangermann. "Sollten sich die Vorwürfe jedoch bestätigen, könnte dies
ein Verstoß gegen die auch im EU-Vertag festgelegte Loyalitätspflicht
und das Gebot gemeinschaftstreuen Verhaltens darstellen."
Pressekontakt:
Christoph Rasch
Politik und Kommunikation
Greenpeace Energy eG
Telefon 040 / 808 110 - 658
christoph.rasch(at)greenpeace-energy.de
www.greenpeace-energy.de