(ots) - Es war ein Randaspekt der Merkelschen
General-Audienz am Donnerstag, ein Randaspekt allerdings, der für
Europa zunehmend zum Problem wird: die Türkei. Merkel mahnte, von
Journalisten auf ihre Reaktion zu Erdogans Handeln seit dem
gescheiterten Militärputsch angesprochen, zur "Verhältnismäßigkeit".
Als ob diese in der Türkei noch irgendeine Rolle spielen würde.
"Verhältnismäßig" war die Reaktion des türkischen Präsidenten schon
am Tag des Putsches nicht, als er den gescheiterten Versuch seinem
Widersacher Gülen in die Schuhe zu schieben versuchte. Seitdem hat
Erdogan systematisch Verwaltung, Militär und viele weitere Bereiche
von jedem gesäubert, der ihm auch nur entfernt unbequem sein könnte.
Merkels Sorge, "dass sehr hart vorgegangen wird", ist durchaus
berechtigt. Am Donnerstag hat Erdogan 16 Fernsehstationen, 23
Radiosender sowie 45 Zeitungen geschlossen und Tausende Militärs
unehrenhaft entlassen. Es ist längst keine Frage mehr, ob Erdogan die
Demokratie in der Türkei untergräbt, es ist nur noch die Frage, in
was er die Republik verwandeln will. Ein Sultanat nach osmanischem
Vorbild könnte die Antwort sein. Genau weiß das aber nur Erdogan. Und
was macht Europa? Merkels daunenfederweiche Reaktion ist ja keine
Ausnahme in der EU, die die Türkei seit Jahrzehnten am langem Arm
verhungern lässt. Der kranke Mann am Bosporus war immer der
Bittsteller in Europa, der Bittsteller, der in den erlauchten Kreis
der Europäer aufgenommen werden wollte - den man dort aber nicht
haben wollte. Jetzt, wo die Türkei als Puffer gegen Flüchtlinge
gebraucht wird, hat sich das Verhältnis radikal umgedreht. Jetzt ist
Europa der Bittsteller - Erdogan fühlt sich geschmeichelt und nutzt
das gnadenlos aus. Europa wird ihm nicht ins Handwerk pfuschen, im
eigenen Land kann es auch keiner mehr tun. "Verhältnismäßigkeit"
sieht anders aus.
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