(ots) - Alles unter der Sonne hat seine Zeit, heißt es in
den Büchern der Weisheit des Alten Testaments, und weiter: "Es gibt
eine Zeit zum Weinen und eine Zeit zum Lachen, eine Zeit für die
Klage und eine Zeit für den Tanz [...], eine Zeit zum Schweigen und
eine Zeit zum Reden." Nach Abschluss des Weltjugendtages in Krakau
lesen sich diese Zeilen wie eine nachträgliche Gebrauchsanweisung für
die rundum gelungene Polenreise des Papstes. Franziskus spielte
virtuos und nahezu fehlerfrei auf der komplizierten Klaviatur der
menschlichen Seelenzustände, nicht ohne dem Verstand und der
aufgeklärten Vernunft das Wort zu reden, wo dies am Platze war. Der
Papst sprach schon auf dem Hinflug von einem Kriegszustand, in dem
sich die Welt befinde, wies aber die eskalierende These eines Kampfes
der Kulturen und Religionen zurück. Nein, den Kriegsparteien gehe es
zuallererst um Macht, Geld und Ressourcen. Wie wahr! Kaum in Krakau
gelandet, forderte Franziskus die versammelte Jugend der Welt auf,
dem Terror zu trotzen. Eine Zeit zum Tanzen: "Seid glücklich, freut
euch und feiert!", verlangte er, ganz in der Rolle des Heiligen
Vaters. An keiner anderen Station seiner Reise war er seinem großen
polnischen Vorvorgänger Johannes Paul II. so nah wie hier, bei seiner
Mahnung zum lebendigen Leben. Zugleich hatte es schon etwas
Surreales, dass ein 79-jähriges Kirchenoberhaupt meinte, die Jugend
der Welt auffordern zu müssen, ihr Sofa zu verlassen, das Smartphone
aus der Hand zu legen und zu leben. Aber so ist diese Zeit. Eine Zeit
zum Reden: Der Papst ermahnte die rechtsnationale, nach autoritärer
Herrschaft strebende polnische Regierung öffentlich, ohne dabei das
Gastrecht zu missbrauchen. Übermäßiges Machtstreben sei stets von
Übel, erklärte Franziskus dem PiS-Parteichef Jaroslaw Kaczynski. Und
der großen Mehrheit der katholischen Polen, die aus Angst vor Fremden
eine Aufnahme von Flüchtlingen ablehnt, erteilte er eine Lehrstunde
in Sachen Humanität: Sich dem Nächsten hinzugeben, das sei wahrhaft
christlich! Und dann die Zeit zu schweigen: Bei seinem Besuch im
ehemaligen Vernichtungslager Auschwitz hielt Franziskus keine
Ansprache, wie dies seine Vorgänger taten, der Pole Johannes Paul II.
und der Deutsche Benedikt XVI. Stattdessen verharrte der Papst
minutenlang im stillen Gebet. Diese Geste sagte mehr als tausend
Worte.
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