(ots) - Als die EU vor zwei Jahren die nächste Stufe der
Regulierung für Tabakprodukte beschloss, stand der plakative
Verbraucherschutz im Mittelpunkt des Interesses: Alles drehte sich um
die Schockerfotos, die den Rauchern die Lust an ihrem Laster
verderben soll. Kaum jemand außerhalb der Fachwelt hat da zur
Kenntnis genommen, was die EU noch beschlossen hat: Bis 2019 soll
EU-weit ein überaus ehrgeiziges System aufgebaut werden, das dem
Zigarettenschmuggel den Kampf ansagt. Im Fachjargon "Tracking and
Tracing" genannt. Es soll sicherstellen, dass künftig der Weg jeder
Zigarettenschachtel aus der Fabrik bis zum Großhändler nachvollzogen
werden kann. Die EU hat sich Großes vorgenommen: Sie will
technologisch Welt-Standards setzen. Das Rückverfolgbarkeitssystem
soll ausgefeilter sein als etwa das System, das die
Weltgesundheitsorganisation (WHO) vorschreibt. Der Ehrgeiz könnte
sich noch als Bumerang erweisen. Die logistische Aufgabe ist überaus
komplex. Erste Machbarkeitsstudien verliefen nicht gerade
erfolgversprechend. Unklar ist, wo die vielen Daten rund um den
Tabakkonsum von 150 Millionen Rauchern EU-weit gespeichert werden.
Und wer soll sie auswerten? Die Erfahrung lehrt, dass Vorsicht
geboten ist, wann immer der Staat technologisch Neuland betreten
will. Hier sei etwa an die peinlichen Verzögerungen erinnert, zu
denen es bei der digitalisierten Erfassung und Abrechnung von
Straßennutzungsgebühren oder etwa dem Aufbau einer elektronischen
Steuerkarte kam. Wohlgemerkt: Für die Tabakproduktrichtlinie ist der
EU-Gesundheitskommissar zuständig. Nun geht es darum, ein System zu
entwickeln, bei dem die Tabaksteuer sowie die Mehrwertsteuer berührt
sind. Hoch komplexe Vorgänge sind dabei zu beachten, die in den
originären Bereich der Finanz- und Steuerverwaltung fallen. Wenn da
mal das Gesundheitsressort nicht überfordert ist. Zumal es Hinweise
gibt, dass mit dem Datenwust womöglich gar nicht so viel anzufangen
sein wird. Der Schwarzmarkt für Zigaretten hat sich in den
vergangenen Jahren gewandelt. Die geschmuggelte Markenzigarette, die
mit dem System aufgespürt werden könnte, wird zum Auslaufmodell.
Immer mehr Gewicht haben gefälschte Zigaretten sowie Fantasiemarken
wie "Jin Ling", die eigens für den Schwarzmarkt in Europa produziert
werden. Diesen beiden Phänomen ist aber mit einem
Rückverfolgbarkeitssystem nicht beizukommen.
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