Die Entscheidung befasst sich mit den Überwachungspflichten von Betreuern eines Internats. Müssen diese Hinweise auf einen wiederholten sexuellen Mißbrauch eines Ihrer betreuten Schüler erkennen?
Urteil Landgericht Heidelberg vom 22.09.2009, Aktenzeichen 2 O 96/07
(firmenpresse) - Der körperbehinderte Kläger war Schüler der beklagten Privatschule und bewohnte das der Schule angegliederte Internat im Rahmen einer Außenwohngruppe. In diese Außenwohngruppe wurde auch ein anderer Schüler X verlegt nachdem dieser wegen eines sexuellen Übergriffs auf eine Schülerin auffällig geworden war. Die Außenwohngruppe wurde von 3 verschiedenen Erziehern und einen Psychologen betreut.
Anfang des Jahres 2004 kam es nach Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Karlsruhe gegenüber dem Kläger zu massiven sexuellen Übergriffen seitens dieses bereits auffällig gewordenen Mitschülers. Es handelte sich dabei um mindestens 60 schwere sexuelle Übergriffe, wobei auch der Tatbestand der Vergewaltigung verwirklicht wurde.
Mitte des Jahres 2005 wurden die Vorfälle bekannt, die Mutter des Klägers erstattete Strafanzeige und die beklagte Privatschule verwies den Schüler X sofort von der Schule.
Den Erziehern war auch bekannt, dass der Schüler X selbst bereits Opfer eines Sexualübergriffs geworden war. Ferner war das sexualisierte Verhalten des Schülers X aufgefallen, da er oft über seine sexuellen Phantasien sprach. Ferner verlangte der Kläger einen Schlüssel für sein Zimmer, weil er nachts vom Schüler X besucht würde. Später wurde jedoch festgestellt, dass die Türe nicht mehr abgeschlossen war.
Das Versorgungsamt erkannte eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von 40% wegen einer posttraumatischen Belastungsstörung an. Der Kläger wurde insbesondere stationäre wegen seiner Aggressivität mit einem Neuroleptikum behandelt.
Außergerichtlich geforderte 100.000,- EUR Schmerzensgeld zuzüglich einer Schmerzensgeldrente wurden von der Beklagten zurückgewiesen und lediglich ein Betrag von 20.000,- EUR angeboten.
Das Gericht wies die Klage schließlich wegen des fehlenden Nachweises eines Verschuldens seitens der beklagten Privatschule zurück. Das Gericht begründet dies im wesentlichen damit, dass es dem Kläger nicht gelungen sei, eine Pflichtverletzung der Schule nachzuweisen.
Zwar gehöre es zu den vertraglichen Pflichten der Beklagten, Schäden von ihren Schülern abzuwenden und auch im Internatsbereich eine sichere Umgebung zu schaffen.
Nachdem erstellten Sachverständigengutachten ging das Gericht davon aus, dass es sich vorliegend um einen sehr speziellen Fall handelte, der nicht von „einfachen" Erziehern und Psychologen feststellbar gewesen sei. Vielmehr seien Anzeichen der vorliegenden Art nur von geschulten Fachleuten erkennbar.
Zu berücksichtigen sei ferner, dass es sich vorliegend nicht um ein Heim für sexuell auffällige Delinquenten handelte und von daher die primäre Aufgabe der Erzieher darin bestand die Kinder pädagogisch zu betreuen. Deshalb könne der Beklagten das Nichterkennen der schweren Traumatisierung des Klägers nicht angelastet werden.
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