(ots) - An normalen Tagen fahren die frisch Vermählten in
Bratislava nach dem Ja-Wort rauf auf die Burg, die über der Stadt und
der Donau thront. Vor der weiß gekalkten Burg werden Hochzeitsfotos
gemacht. Von Flitterwochen-Stimmung kann beim informellen Gipfel der
EU der noch 27 aber keine Rede sein. Noch unmittelbar vor dem
Treffen in der Slowakei gab es wüste Beschimpfungen. Ganz so, als
hätten sie den Weckruf, den der Brexit bedeutet, nicht gehört, flogen
giftige Pfeile hin und her. Da fordert Luxemburgs Außenminister
Asselborn den Ausschluss von Ungarn aus der EU. Polen und Ungarn
revanchieren sich, indem sie eine "kulturelle Konter-Revolution"
gegen "die in Brüssel" fordern. So kann es nicht weitergehen. Zum
Minimalkonsens in der europäischen Staatengemeinschaft muss gehören,
dass Meinungsverschiedenheiten in würdevoller Form ausgetragen
werden. Gegenüber den Bürgern Europas darf nicht permanent
Zerstrittenheit zelebriert werden. Gefragt ist der Wille,
Gemeinsamkeiten zu finden. In Bratislava wurden immer wieder Appelle
zur Geschlossenheit gemacht. Ob die Regierungschefs sich tatsächlich
zusammenraufen und der demonstrierte Schulterschluss trägt, bleibt
inständig zu hoffen. Dabei ist grundsätzlich der Weg richtig, der
eingeschlagen wird: Die EU will anhand von konkreten Schritten in der
Grenzsicherung, in der Flüchtlingspolitik und in der
Verteidigungspolitik Handlungsfähigkeit beweisen. So kann verloren
gegangenes Vertrauen zurückgewonnen werden. Vor allem in der
militärischen Zusammenarbeit steckt zudem das Potenzial, auf einem
neuen Feld Gemeinsamkeiten zu finden. Die EU-Regie will mit dem
Treffen eine Zäsur setzen. Es soll ein "Bratislava-Prozess" gestartet
werden. Als sichtbares Zeichen des Neuanfangs, der Besinnung nach dem
Brexit und einer stärkeren Orientierung auf die Interessen der
Bürger. Bis zum März, wenn das 60-jährige Jubiläum der römischen
Verträge ansteht, sollen konkrete Ergebnisse vorliegen. Bratislava
ist der passende Ort für diesen Neustart.
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