(ots) - OECD und Europäische Kommission gehen von "völlig
unrealistischen und überzogenen" Rendite-Erwartungen bei der
kapitalgedeckten Altersvorsorge aus. "Altersarmut ist
vorprogrammiert." / "Leif trifft: Arme Rentner" am 12.10., 20:15 Uhr
im SWR Fernsehen
Die OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung) und die Europäische Kommission gehen in ihren aktuellen
Empfehlungen zur Reform nationaler Rentensysteme von deutlich
überhöhten Renditeerwartungen bei der privaten Altersvorsorge aus.
"Man kann festhalten, dass die von der OECD verwendeten Zahlen die zu
erwartenden Renditen an den Finanzmärkten überzeichnen." Das ist das
Ergebnis einer unveröffentlichten wissenschaftlichen Studie der
Rentenexperten David Mum und Erik Türk in Kooperation mit der
Friedrich-Ebert-Stiftung (FES). Die unveröffentlichte Studie liegt
dem SWR vor.
Große Bedeutung hat die Untersuchung, weil die
OECD-Rendite-Einschätzungen von Regierungen und
Versicherungskonzernen "als objektive Quelle ins Feld geführt" und
als Grundlage für die Ausweitung der privaten Altersvorsorge genutzt
werden. Die auf Basis der OECD-Daten angenommene Höhe der langfristig
erzielbaren Kapitalmarktrenditen und damit der vermeintlich
"überlegenen" kapitalgedeckten Altersvorsorge spielte bei der
Einführung der Riester-Rente (2001) die entscheidende Rolle. Die
Studie widerlegt nun diese Annahmen und verweist zusätzlich auf die
langfristig negativen Auswirkungen einer lang anhaltenden
Niedrigzinsphase.
Der von OECD und EU-Kommission erwartete reale Effektivzins für
Kapitalanlagen in Höhe von drei Prozent erweist sich "auf der Basis
einer historischen Betrachtung als deutlich überhöht", schreiben die
Wissenschaftler in ihrer unveröffentlichten aktuellen Studie mit dem
Titel "Überhöhte Erwartungen - OECD und EU-Kommission sollten ihre
Renditeannahmen korrigieren".
Die "völlig überzogenen" Renditeerwartungen der OECD und der
Europäischen Kommission haben erhebliche Auswirkungen auch auf das
deutsche Rentensystem, weil nun "kritisch geprüft" werden müsse,
"inwieweit man sich auf die Kapitaldeckung als ein zentrales Element
der lebensstandardsichernden Alterssicherung verlassen kann" - so die
Analyse. Die Rentenexperten kommen zu folgenden Ergebnis: "Geringere
Renditen haben letztlich ganz erhebliche Auswirkungen auf die
Ersatzraten (Anm.: Verhältnis von Pensionszahlung zum letzten Gehalt)
kapitalgedeckter Pensionen. Denn bei einem 40-jährigen Ansparzeitraum
bewirkt eine Differenz der Rendite von einem Prozentpunkt, dass die
Ersatzrate um rund ein Viertel niedriger ausfällt."
Weiteres Ergebnis der Studie: "Kleine Schwankungen in der Rendite
führen also zu großen Schwankungen der Leistungen bei
kapitalgedeckten Renten. Da die Renditeerwartungen der OECD deutlich
überhöht sind, muss deshalb bezweifelt werden, dass die private
Altersvorsorge das Absinken im Leistungsniveau der gesetzlichen Rente
wie ursprünglich erwartet ausgleichen kann." Die Bilanz der
Studien-Autoren Mum und Türk: "Kapitalgedeckte Renten-Systeme bringen
mehr Risiken und nicht mehr Erträge." Das Nichterreichen der völlig
überzogenen Renditeerwartungen hat die Folge - so der Befund der
Forscher - "dass der Staat über die gesetzliche Rentenversicherung
oder Fürsorgeleistungen die älteren Menschen unterstützen muss, um
die Versorgungslücken zu schließen, die sich ergeben werden, weil
kapitalgedeckte Pensionssysteme weitaus weniger Leistungen bringen
als angenommen wurde." "Schon jetzt ist klar, dass sich die
Erwartungen, die mit einem teilweisen Umstieg auf Kapitaldeckung in
Deutschland verbunden waren, nicht erfüllt haben. Die drastischen
Rentenkürzungen werden durch die kapitalgedeckte zweite (betriebliche
Altersvorsorge) und dritte (Riester-Rente) Säule nicht ausgeglichen.
Altersarmut ist vorprogrammiert."
Das Fazit der Studie zur künftigen Rentenpolitik: "Die
Privatpensionen sind durch hohe Gebühren, stetig sinkende
Garantiezinsen und zu niedrige Renditen gekennzeichnet. Sie können
die Lücken in der gesetzlichen Rente nicht ausgleichen." Zum
Hintergrund: Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) hat angekündigt,
im November ein Gesamtkonzept zur Reform des deutschen Rentensystems
vorzulegen. Hier sollen auch Reformvorschläge zur privaten
Riester-Rente und zum Ausbau der betrieblichen Zusatzversicherung
vorgestellt werden.
Mit "Leif trifft: Arme Rentner. Kein Wohlstand mehr im Ruhestand"
sendet das SWR Fernsehen am 12. Oktober 2016 ab 20:15 Uhr eine
Fernsehdokumentation zur aktuellen Rentenpolitik.
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