(ots) - Die Fassbomben, mit denen syrische
Regierungstruppen den Ostteil Aleppos terrorisieren, zerstören
gleichzeitig die Illusion einer kohärenten amerikanischen Strategie
in dem Bürgerkriegsland. Der demonstrative Abbruch der Kooperation
mit Russland in Genf soll Stärke demonstrieren, ist aber nicht mehr
als der Versuch, die eigene Ohnmacht zu kaschieren. Tatsächlich haben
sich die USA in Syrien in eine Sackgasse hinein manövriert, die der
Supermacht nur noch sehr wenige Handlungsoptionen lassen. Der Abbruch
der Gespräche über die Einrichtung einer gemeinsamen militärischen
Koordinationsstelle (JIC) in Genf wird in Moskau jedenfalls mit nicht
viel mehr als einem Schulterzucken registriert. Im Gegenteil benutzt
Wladimir Putin den diplomatischen Rüffel als Vorwand für die
Suspendierung des Plutonium-Abkommens aus dem Jahr 2000. Praktisch
hat das so gut wie keine Konsequenzen. Aber politisch setzt Moskau
damit ein Signal. Erstmals benutzen die Russen wieder
abrüstungspolitische Vereinbarungen als Drohkeule, nationale
Interessen durchzusetzen. Wladimir Putin verlangt ein Ende der
Krim-Sanktionen und einen Rückzug der US-Truppen aus dem Baltikum -
zwei Forderungen, auf die sich Washington niemals einlassen wird.
Während sich die USA moralisch über den Zynismus Russlands in Syrien
entrüsten, wittert Putin die Chance, den Bürgerkrieg mit Gewalt
zugunsten des Regimes zu entscheiden. Deshalb ermutigt er den
syrischen Diktator Bashir al-Assad zu einer "tschetschenischen
Lösung" für das umkämpfte Aleppo. Wie die Russen einst Grozny in
Schutt und Asche legten, wird nun vor den Augen der Welt eine Stadt
zusammengebombt, in der rund 275 000 Zivilisten festsitzen. Die
Amerikaner haben dem nichts entgegenzusetzen, weil sie sich seit
Beginn des Konflikts 2011 selber die Hände hinter dem Rücken gebunden
haben. US-Präsident Obama hatte als Leitmotiv seiner
Sicherheitspolitik die Devise ausgegeben, "keine dummen Sachen zu
machen". In Bezug auf den Bürgerkrieg in Syrien hieß das, eine
Verwicklung in einen Bodenkrieg unter allen Umständen zu vermeiden.
Warum, so das schlüssige Argument, sollte eine "Pax Americana" in
Syrien zu einem anderen Ergebnis führen als zehn Jahre Krieg und
Besatzung im Irak. Zumal sich in Syrien die ethnischen und religiösen
Gegensätze sehr viel schärfer darstellen. Mit dem Ausschluss einer
militärischen Intervention verwickelte sich die US-Politik in einen
Widerspruch nach dem anderen. Die Amerikaner zogen beim Einsatz von
Chemiewaffen eine rote Linie in den Wüstensand und ließen Assad
anschließend davonkommen. Sie legten sich auf einen Regimewechsel
fest, ohne viel dafür zu tun, diesen zu erreichen. Sie suchten die
Hilfe der Kurden und verprellten damit den NATO-Partner Türkei, der
seine Interessen bedroht sah. Mangels Alternativen versuchten die USA
dann mit Russland den Kampf gegen den Islamischen Staat zu
kooperieren, während dies dem Schlächter von Damaskus half, seine
Macht zu stabilisieren. Putin witterte die konzeptionelle Schwäche
der amerikanischen Syrien-Strategie und schickte militärische
Unterstützung für Assad. Seitdem trieb er die Amerikaner vor sich
her. Die bittere Realität ist, dass Obama die USA davor bewahrt hat,
im Treibsand eines weiteren Endlos-Konflikts im Mittleren Osten
festzustecken. Das Vakuum füllen nun andere Kräfte, die Amerikas
selbstgewählte Ohnmacht brutal ausbeuten. Der Präsident hinterlässt
seinem Nachfolger(in) in Syrien ein schweres Erbe.
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