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Landeszeitung Lüneburg: Eine Flat-Tax wäre besser gewesen - Experte Dr. Stefan Bach kritisiert die Erbschaftssteuer-Reform und sieht Gefahr neuer Klagen in Karlsruhe

ID: 1409292

(ots) - Die Erbschaftssteuer wird reformiert - auf Druck
des Bundesverfassungsgerichtes. Der Bundestag hat bereits der
Einigung des Vermittlungsauschusses zugestimmt, der Bundesrat soll
kommende Woche folgen. Doch ob damit Ruhe einkehrt, ist nicht sicher.
Die Gefahr neuer Klagen sieht auch Dr. Stefan Bach - unter anderem
wegen der weiterhin vorgesehenen, weitgehenden Steuerbefreiung für
größere Vermögen. "Ich hätte einen Kompromiss bevorzugt, der hier
eine Mindestbesteuerung von zehn bis 15 Prozent vorsieht", betont der
DIW-Steuerexperte im Gespräch mit unserer Zeitung.

Wie groß ist die Gefahr, dass die Erbschaftsteuer-Reform ein
fünftes Mal in Karlsruhe landet?

Dr. Stefan Bach: Die Gefahr besteht durchaus. Das
Bundesverfassungsgericht hatte gerade im Hinblick auf die
Begünstigung großer Unternehmen Nachbesserungen verlangt. Doch der
Kompromiss sieht erneut weitreichende Vergünstigungen vor. So kann
Unternehmen weiterhin bis 26 Millionen Euro steuerfrei übertragen
werden - ohne jede Bedürftigkeitsprüfungen. Und bei höherwertigen
Unternehmen berücksichtigen die Bedürftigkeitsprüfungen nur das
eigene Vermögen des Empfängers, nicht aber das Vermögen des
Erblassers oder Schenkers.

Das kann man gestalten?

Dr. Bach: Man kann seinen Kindern weiterhin schon in jungen Jahren
Betriebsvermögen steuerfrei übertragen. Leute, die sich nicht
besonders in Unternehmen engagieren, sondern im Grunde genommen nur
Teilhaber sind, können also weiterhin mitbegünstigt werden, weil eben
die familiäre Unternehmensfortführung der Mittelständler gesichert
werden soll, ohne Rücksicht auf die Höhe der Vorteile. Also können
auch Riesenvermögen im dreistelligen Millionenbereich steuerfrei
übertragen werden, ohne nachweisen zu müssen, dass Arbeitsplätze oder
die Unternehmensfortführung gefährdet wären, was wohl in den meisten




Fällen nicht der Fall ist. Hinzu kommen Detailregelungen wie
Bewertungsabschläge, die doch sehr pauschal und nicht sachgerecht
geraten sind - und durchaus verfassungsrechtliche Risiken bergen.

Bisher hat die Erbschaftsteuer rund sechs Milliarden Euro pro Jahr
eingebracht - bei einem Gesamtsteueraufkommen von mehr als 700
Milliarden Euro. Bleibt die Erbschaftsteuer also eine Bagatellsteuer?

Dr. Bach: Noch ist unklar, wie sich die kleinen Verschärfungen
oder auch neue Vergünstigungen, die im Kompromiss vorgesehen sind,
auswirken werden. Es gibt durchaus einzelne Konstellationen, wo nach
neuem Recht die Regelungen sogar günstiger sind für die Erben. Das
ist ein großes Beschäftigungsprogramm für Steuerberater. Unter dem
Strich dürfte das Erbschaftsteueraufkommen in den kommenden Jahren
leicht sinken, da schon in den letzten Jahren viel Vermögen
übertragen worden ist. Ich rechne mit einem jährlichen
Steueraufkommen eher in Richtung 4,5 bis 5 Milliarden Euro.

"Mit viel Geld übertragen" meinen Sie die jungen Multimillionäre?

Dr. Bach: Nicht nur, aber auch. Allein von 2011 bis 2014 sind von
insgesamt 144 Milliarden Euro steuerfreien Unternehmensübertragungen
37 Milliarden Euro an Minderjährige geflossen. Fast 30 Millionen
davon gingen an nur 90 Kinder im Alter von unter 14 Jahren, die
durchschnittlich 327 Millionen Euro bekommen haben - steuerfrei. Und
2015 und wohl auch in den vergangenen Monaten vor dem nun erzielten
Kompromiss gab es sicher noch einmal einen Schub an Ãœbertragungen.

Die Erbschaftsteuer ist also nicht - wie der rheinland-pfälzische
Wirtschaftsminister Volker Wissing sagt - ein Einstieg in die
Vermögensteuer?

Dr. Bach: Nein, das ist es für sich genommen nicht. Was natürlich
sein kann, ist, dass im Zuge des Bundestagswahlkampfes das Thema
Vermögensteuer wieder hochkocht. Denn die Vermögen sind in
Deutschland zunehmend ungleichmäßig verteilt, und die Erbschaftsteuer
ändert daran rein gar nichts. Daher wird es sicher wieder Vorstöße
geben, um die Gruppe der Reichen und Superreichen stärker in die
Pflicht zu nehmen und deren Steuern zu erhöhen.

Ist die Erbschaftsteuerreform ein Kniefall vor den reichsten
Sprösslingen des Landes, wie es der Linken-Chef Bernd Riexinger
formuliert hat?

Dr. Bach: Es sieht natürlich zunächst so aus, weil sich bei den
Superreichen wenig ändern wird. Der Punkt ist aber, dass man vor
allem die Mittelständler und die familiengeführten Unternehmen vor
Augen hatte und hat. Bei größeren Erbschaftsteuerbelastungen müsste
in der Tat Geld aus solchen Firmen gezogen werden. Denn jenseits der
Begünstigungen gelten Steuersätze von bis zu 30 Prozent. Das wären
erhebliche Belastungen, die die Firmen tragen müssten. Dann würden
wohl auch viele Erben die Unternehmen verkaufen - zum Beispiel an die
"Heuschrecken", das will niemand. Insofern sind moderate
Begünstigungen durchaus berechtigt. Nur sind sie eben in den letzten
Jahren völlig aus dem Ruder gelaufen.

Wie soll man die großen Unternehmensübertragungen besteuern?

Dr. Bach: Ich hätte einen Kompromiss bevorzugt, der hier eine
Mindestbesteuerung von zehn bis 15 Prozent vorsieht. Das würde
wirtschaftlich keine größeren Schäden zur Folge haben. Meiner Meinung
nach geht die vollständige Steuerbefreiung, die es nun in vielen
Bereichen weiter geben wird, zu weit.

Sie sind also für ein Flat-Tax-Modell?

Dr. Bach: Zumindest in die Richtung sollte die Reform gehen. Man
könnte auch im bestehenden Modell eine Mindeststeuer für hohe
Unternehmensübertragungen einziehen. Dabei kann es ja durchaus einen
Freibetrag von zum Beispiel ein oder zwei Millionen Euro geben, um
kleine Firmen nicht zu belasten. Bei größeren Vermögen könnte es dann
Verschonungsabschläge geben, die mit steigendem Vermögen zurückgehen.
Aber ab einem Unternehmensvermögen von mindestens 20 Millionen könnte
man einen Mindeststeuersatz von 15 Prozent erheben. Dadurch würde das
Steueraufkommen längerfristig kräftig steigen. Einen Teil davon
könnte man benutzen, um die "Sandwich-Bürger", die derzeit das Gros
des Erbschaftsteueraufkommens auf ihre Immobilien oder das
Finanzvermögen bezahlen, stärker zu entlasten. Oder man könnte auch
die persönlichen Freibeträge bei Ehegatten und Kindern erhöhen.

Wäre es dann nicht sinnvoller, statt einer erneuten Diskussion
über die Einführung einer Vermögensteuer gleich zum Flat-Tax-Modell
bei der Erbschaftsteuer zu greifen?

Dr. Bach: Die Erbschaftsteuer gilt als die verträglichere und
weniger wirtschaftlich schädliche Art der Vermögensbesteuerung,
Deshalb würde ich es befürworten, wenn man Flat-Tax-Modelle
entwickelt. Zumal eine Vermögensteuer weitere Probleme aufwerfen
würde - nicht nur im Hinblick auf höhere Verwaltungskosten, sondern
auch auf ähnliche rechtliche Probleme wie bisher die Erbschaftsteuer.

Gibt es Rechenmodelle für eine Flat-Tax?

Dr. Bach: Bei einer Flat-Tax von zehn Prozent und einem Freibetrag
von 400000 Euro pro Person - also nicht nur nahe Angehörige - könnte
man das derzeitige Aufkommen komplett finanzieren. Wenn man dann
einige Vergünstigungen abbaut, käme man mit einem Plus heraus. Bei
einem Flat-Steuersatz von 15 Prozent könnte man das
Erbschaftsteueraufkommen sicher mehr als verdoppeln, wenn man auch
noch weitere Vergünstigungen streicht, zum Beispiel für Immobilien
oder für Spenden, Beiträge und Stiftungen.

Das deutsche Steuersystem krankt an einer extremen
Unübersichtlichkeit. Krankt es auch daran, dass Einkommen aus Arbeit
schon ab mittleren Einkommen deutlich höher besteuert werden als
Einkünfte aus Kapital?

Dr. Bach: Das ist eine Tendenz der vergangenen Jahre und
Jahrzehnte. Das Vermögen ist stark konzentriert. Die Gutverdiener und
Vermögenden wurden sukzessive steuerlich entlastet. Arbeitnehmer mit
mittleren Einkommen wurden dagegen durch die kalte Progression immer
höher besteuert. Hinzu kommt, dass die indirekten Steuern ausgeweitet
wurden - Mehrwertsteuer, Ökosteuer, EEG-Umlage. Diese Steuern zahlen
im Wesentlichen Mittel- und Unterschicht-Haushalte.

Und auch Sozialbeiträge?

Dr. Bach: Wir haben nach wie vor relativ hohe Sozialbeiträge im
internationalen Vergleich. In anderen Wohlfahrtsstaaten bekommt man
zum Beispiel Gesundheitsleistungen oder eine Grundrente vom Staat,
ohne dass man dafür Sozialbeiträge zahlen muss. Bei uns zahlen selbst
Geringverdiener den vollen Rentenbeitrag ein, bekommen dafür aber
kaum Rente und müssen künftig im Alter noch Stütze beantragen. Auf
Dauer ist daher eine staatlich finanzierte Grundrente wie etwa in
Großbritannien oder Schweden vielleicht der bessere Weg. Das
Interview führte Werner Kolbe



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Werner Kolbe
Telefon: +49 (04131) 740-282
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Datum: 06.10.2016 - 19:03 Uhr
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