(firmenpresse) - Bonn/Paris - Die Politologin Corinne Maier, die seit 12 Jahren beim französischen Staatsunternehmen EDF Electricite de France arbeitet, entlarvt in ihrem Buch "Bonjour paresse" die phrasenhafte Leistungsrhetorik in Grosskonzernen: Je weniger Arbeit es gibt, desto grösser scheint die Notwendigkeit, unablässig von ihrer zentralen Rolle im Leben zu reden und einen pseudowissenschaftlichen Jargon von Unternehmensberatern zu zelebrieren. Erschienen ist das ironische Werk mit dem Untertitel "Von der Kunst und der Notwendigkeit, so wenig wie möglich in einem Unternehmen zu tun". In Frankreich eroberte Maier die Bestsellerlisten. Die New York Times widmete ihr die Seite eins, die Financial Times meinte, Bonjour Paresse habe auf die höheren Angestellten dieselbe Wirkung, wie einst das Kommunistische Manifest auf das Proletariat." Der Frankreich-Korrespondent des Wirtschaftsmagazins Criticón, Bernd Oliver Bühler, hat sich mit dem Band von Maier auseinandergesetzt.
"Die zentrale Aussage von Maier ist, dass niemand mehr an grosse Unternehmen glaubt. Der Glaube hat die Ritter des Unternehmenskampfes verlassen. Das mittlere Management wartet nur noch auf das eine: das Gehalt am Ende des Monats. Von Motivation und Vision keine Spur. Maier ergänzt ihre schonungslose Abrechnung mit Empfehlungen, wie man in Konzernen unauffällig ineffizient bleiben kann mit der Zielsetzung, sich nun des Unternehmens zu bedienen, nachdem sich das Unternehmen bisher des Individuums bedient hat. Konzerne sind für Maier nicht human, sie wollen nicht das Wohl des einzelnen und respektierten auch nicht die Werte, die sie predigen, wie die letzten Finanzskandale und Entlassungswellen belegen. Sich für einen anonymen Konzern aufzureiben, lohne sich für viele Arbeitnehmer nicht mehr. Aber auch nicht, sich aufzulehnen. Wo noch der Kommunismus den Kapitalismus von aussen angriff, propagiert Maier nun die Systemaushöhlung von innen", schreibt Bühler in der Winterausgabe von Criticón.
Die Stichhaltigkeit der Aussagen von Maier könne man an aktuellen Studien ablesen: Laut einer in Frankreich durchgeführten Umfrage betrachten sich 17 Prozent der befragten Manager als "aktiv unengagiert" - ihre Arbeitseinstellung ist so wenig konstruktiv, dass man schon fast von Sabotage reden könnte. Nur 3 Prozent der Manager geben an, dass sie sich in ihre Arbeit voll einbringen. In Deutschland würden die Ergebnisse wahrscheinlich ähnlich ausfallen.
In zehn "Gegen-Geboten" bietet Maier Überlebensstrategien für das Angestelltenleben:
1. Arbeiten Sie für Ihr Gehalt am Monatsende, nicht für Ihre Selbstverwirklichung
2. Versuchen Sie nicht, das System zu ändern. Sich ihm zu widersetzen, verstärkt es; es zu bekämpfen verleiht ihm mehr Konsistenz.
3. Was Sie tun, nützt gar nichts, und sie können jeden Tag durch einen x-beliebigen Idioten ersetzt werden. Arbeiten Sie deswegen so wenig wie möglich, und nutzen Sie ein wenig Zeit, Ihr Netzwerk auszubauen und sich positiv darzustellen. Somit bekommen Sie Unterstützung und werden unangreifbar bei Umstrukturierungen.
4. Sie werden nicht nach Ihrer Arbeit beurteilt, sondern danach, wie Sie sich dem System anpassen.
5. Akzeptieren Sie niemals verantwortungsvolle Positionen, denn Sie müssen dafür mehr arbeiten und erhalten im Gegenzug nicht mehr als ein paar tausend Euro mehr.
6. Übernehmen Sie in den grössten Unternehmen die nutzlosesten Funktionen: Beratung, Expertise, Analyse. Denn je nutzloser diese sind, desto schwieriger wird es sein, Ihren Beitrag zum Unternehmenswert zu beurteilen.
7. Vermeiden Sie Veränderungen, sobald Sie sich in einer gesicherten Position befinden.
8. Lernen Sie die Personen zu entdecken, die wie Sie "am System" zweifeln.
9. Seien Sie nett im Umgang mit Leuten, deren Arbeitsverträge zeitlich befristet sind, denn nur diese arbeiten wirklich.
10. Sagen Sie sich selbst, dass diese ganze lächerliche Ideologie der Konzerne nicht richtiger ist als der dialektische Materialismus des kommunistischen Systems.
"Eine Beschreibung von Maier ist besonders treffend und traurig: In Unternehmen haben Manager und Angestellte über 50 immer weniger Chancen und werden gefeuert. In Frankreich arbeitet nur noch ein Drittel der 55 bis 64-jährigen. Das ist Weltrekord. Dabei ist doch die Verknüpfung von Veteranen (Erfahrung, Wissen, Netzwerk) und Neueinsteigern (Energie, neue Ideen) essentiell für die Unternehmenskultur", so Bühler.
Man könne über manche Passagen des Buches lachen, über andere weinen, an dritten verzweifeln. "Ohne eine Glut an Wahrheit ist es nicht. Gerade das macht es für den einen interessant, in den Augen des anderen gefährlich. Die EDF reagierte mit einem Disziplinarverfahren gegen Corinne Maier. Der Staatskonzern beugte sich letztlich dem Erfolg des Buches und hat die Klage zurückgezogen", führt Bühler aus.
Die Zeitschrift Criticón erscheint vierteljährlich. Das Einzelheft kostet 8,20 Euro. Bestellungen per Fax unter 0228 - 6204475, per E-Mail: redaktion(at)criticon.de oder über die Webseite www.criticon.de