(ots) -
In der Hessischen Erstaufnahmeeinrichtung (HEAE) Rotenburg a. d.
Fulda war es zu einer Vielzahl religiös motivierter Übergriffe gegen
Christen gekommen. Eine Gruppe iranischer Betroffener verfasste
deshalb im Juli einen schriftlichen Hilferuf. Auch die Heimleitung
wurde informiert und leitete daraufhin gemeinsam mit dem
Regierungspräsidium Gießen Maßnahmen zum Schutz der Betroffenen ein.
Das überkonfessionelle christliche Hilfswerk Open Doors hat die
Vorfälle dokumentiert und am 24. Oktober veröffentlicht
[www.opendoors.de/bericht-rotenburg-2016].
Klima der Angst bei Befragung durchbrochen
Bereits am 17.10. veröffentlichte Open Doors im Rahmen einer
Pressekonferenz eine Erhebung [www.opendoors.de/fluechtlingsbericht],
in der bundesweit 743 christliche Flüchtlinge von religiös
motivierter Gewalt und Diskriminierung in deutschen Asylunterkünften
berichteten. Ein zentrales Problem: Viele Betroffene leben in einem
Klima der Angst und sind aus Furcht vor weiteren Ãœbergriffen nicht
bereit, von ihren Erfahrungen zu berichten. In der HEAE Rotenburg
befanden sich zum Zeitpunkt der Recherche im Juli unter den etwa 700
zumeist muslimischen Flüchtlingen 49 christliche Flüchtlinge. Jeder
einzelne von ihnen hat massive Diskriminierung oder Morddrohungen bis
hin zu gewaltsamen Ãœbergriffen erlebt. 32 der Betroffenen stimmten
einer anonymisierten Veröffentlichung ihrer Schilderungen zu, nachdem
vor Ort ein Schutzrahmen für sie geschaffen und durch zahlreiche
Gespräche Vertrauen aufgebaut worden war.
"Jetzt ist die Zeit, den Ungläubigen die Köpfe abzuschneiden!"
Die Aussagen der Betroffenen offenbaren ein religiöses Verständnis
auf Seiten der Angreifer, das wie in ihren Herkunftsländern von Hass
und Verachtung für "Ungläubige" - also Nichtmuslime - geprägt ist.
Ein trauriger Höhepunkt war der an eine Wand geschriebene Aufruf,
"den Ungläubigen die Köpfe abzuschneiden", der zur zwischenzeitlichen
Evakuierung der Christen führte. Er steht in einer Reihe regelmäßiger
Morddrohungen, denen besonders Konvertiten ausgesetzt sind. So
berichtet ein Betroffener, man habe zu ihm gesagt: "'Wir werden dich
umbringen, wir reißen deine Leber heraus und reißen sie in Stücke.'
Sie sagten, ich hätte meine Religion verkauft und wäre ein
Ungläubiger." Und an anderer Stelle: "Sie sagten, ich hätte meine
Religion verkauft und deshalb dürften sie mich sogar vergewaltigen.
Sie rissen mir die Hose herunter, um mich zu demütigen." Auch einige
der Mitarbeiter in den Bereichen Ãœbersetzung, Security und andere
Dienste, viele selbst mit Migrationshintergrund, waren nach Aussagen
der Betroffenen maßgeblich an der Diskriminierung von christlichen
Flüchtlingen bzw. der Verschleierung der Zustände beteiligt.
Hessische Landesregierung beschließt Maßnahmen zum Schutz
religiöser Minderheiten
Im Rahmen eines Treffens im August 2016 hat der geschäftsführende
Vorstandsvorsitzende von Open Doors Deutschland, Markus Rode, dem
hessischen Innenminister Peter Beuth eine Erstfassung des nun
vorliegenden Rotenburg-Berichts übergeben. Innenminister Beuth
versprach, sich der Problematik in seinem Bundesland verstärkt
anzunehmen. Mittlerweile haben das hessische Innen- sowie das
Sozialministerium gemeinsam mit Kirchenvertretern einen Aktionsplan
zur Optimierung des Schutzes von religiösen Minderheiten unter den
Flüchtlingen erarbeitet. Eine stichpunktartige Darstellung der
entsprechenden Maßnahmen ist in der am 17. Oktober veröffentlichten
neuen Erhebung von Open Doors auf S. 16-17 nachzulesen oder direkt
online einsehbar [www.opendoors.de/massnahmen-hessen]. Der
Aktionsplan stellt vielversprechende Lösungsansätze dar, die
modellhaften Charakter auch für andere Bundesländer haben könnten.
Ihre Wirksamkeit wird allerdings von der Umsetzung vor Ort abhängen.
Rotenburg als wegweisendes Beispiel
Damit die Ãœbergriffe aus der HEAE Rotenburg bekannt werden
konnten, war die gute Zusammenarbeit von u. a. Heimleitung, Polizei
und dem hessischen Innenministerium entscheidend. Ohne die Schaffung
eines Schutzraums und die Entwicklung einer Vertrauensbasis wäre die
Situation der Betroffenen verborgen geblieben. Es ist davon
auszugehen, dass in anderen deutschen Unterkünften ähnliche Zustände
herrschen, die erst durch vergleichbare Anstrengungen ermittelt
werden können.
Markus Rode: "Es ist eine vordringliche Aufgabe im Sinne religiös
Verfolgter unter den Flüchtlingen, das Klima der Angst zu
durchbrechen und - wie in Rotenburg geschehen - wirksame
Schutzmechanismen zu etablieren. Das ist in vielen Unterkünften
leider noch nicht der Fall. An dieser Stelle kann der
Maßnahmenkatalog der hessischen Landesregierung wegweisend sein."
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