(ots) - Droht der Polizei in NRW ein Fälschungsskandal? Die
Polizei in Mülheim soll die Kriminalstatistik geschönt haben. Es
wurden deutlich mehr Diebstähle als aufgeklärt angegeben als
tatsächlich Fälle gelöst wurden. Das behauptet ein renommierter
Wissenschaftler in einer Studie. Nur ein Einzelfall? Die Vorwürfe
sind brisant. Wenn heute der Innenausschuss des
nordrhein-westfälischen Landtages zu einer öffentlichen Anhörung in
Sachen "Maßnahmenpaket zur Bekämpfung des
Wohnungseinbruchsdiebstahls" zusammenkommt, so birgt zumindest eine
der Stellungnahmen politischen Sprengstoff. Der
Polizeiwissenschaftler und Kriminologe Dr. Frank Kawelovski spricht
in seiner 18-seitigen gutachterlichen Stellungnahme von einer
Statistikfälschung seitens einer Polizeibehörde. Es geht um die
Aufklärungsquote. "Wenn künstliche Aufklärungsquoten geschaffen
werden, so ist die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) nicht mehr
als Lagebild zur Gewinnung von Maßnahmen geeignet. Das Instrument der
PKS wird pervertiert." In diesem Zusammenhang prangert Kawelovski die
Statistikfälschung an, die sich in der Polizeibehörde Mülheim
ereignet habe: "Es gab in den Akten nicht den Hauch eines
Ermittlungsansatzes oder einen Hinweis auf einen möglichen Täter. Am
Ende stand in den Akten: Es gibt keine Ermittlungsansätze." Dennoch
wurden 30 solcher Fälle als geklärt in die Statistik gebracht - für
den Kriminologen eine einwandfreie Statistikfälschung. Täter bleiben
fast immer unbestraft Nach zwei Untersuchungen, die Kawelovski in den
Jahren 2012 und 2015 durchführte, zieht er folgende Bilanz:
"Zumindest für Wohnungseinbrüche gilt also: In 97 bis 98 Prozent
aller Fälle bleiben die Täter unbestraft." Und weiter heißt es in der
Stellungnahme für den Innenausschuss des Landtages: "Die Diskrepanz
zwischen den Aufklärungs- und den Verurteilungsquoten zeigt
eindringlich, in welchem Maße die Aufklärungsquoten künstlich nach
oben getrieben werden." Kawelovski weiter: "Das Ausmaß der
Manipulation von Aufklärungsquoten hatte 2014 schon Prof. Dr. Thomas
Feltes (Ruhr-Universität Bochum) in einem Gutachten dargestellt, das
er erstellt hatte, nachdem im Bundesland Brandenburg eine geheime
Anweisung zur Fälschung der Aufklärungsquoten an die Öffentlichkeit
gelangt war." Die NRZ bat das Innenministerium NRW, zuständig für die
Polizei, um eine Stellungnahme zu der Statistikfälschung. Das
Ministerium wollte sich jedoch nicht äußern: Das Landeskriminalamt
prüfe die Angelegenheit und werde in der Sitzung des Innenausschusses
dazu Stellung nehmen. Dem wolle man nicht vorgreifen, so eine
Sprecherin des Ministeriums. Gutachter Kawelovski, Dozent an der
Fachhochschule für öffentliche Verwaltung und ehemaliger
Kriminalhauptkommissar, sieht das Problem nicht etwa bei den
Polizeibeamten, sondern eher im politisch motivierten Wettlauf um die
besten Aufklärungsquoten: "Viele Kollegen sind wirklich mit Herzblut
dabei und reißen sich zum Teil den Arsch auf." Ihrem Engagement werde
man mit Manipulationen der Statistik nicht gerecht.
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