(ots) - Schon Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger hatte
offensichtlich Angst vor den Chinesen. 1969 hämmerte er auf dem
Dortmunder Wahlkonvent der CDU mit den Fingerknochen auf das
Rednerpult und rief: "Ich sage nur China, China, China." Damit wollte
er vor einer wachsenden und noch dazu kommunistischen Weltmacht
warnen. Ein knappes halbes Jahrhundert später ist das Reich der Mitte
zumindest ökonomisch omnipräsent. Und Kiesingers Menetekel hat sich
konkretisiert: Es betrifft chinesische Investoren, die Appetit auf
deutsche Unternehmen haben. 2016 sorgt das Interesse für
Know-how-Träger wie Kuka, Aixtron und Osram für Schlagzeilen nicht
nur in den Wirtschaftsmedien. Der Ãœbernahmehunger der Chinesen ist
groß: Im ersten Halbjahr haben sich Investoren aus dem Reich der
Mitte allein an 37 deutschen Firmen beteiligt. Denn die Volksrepublik
hat sich längst von ihrer alten Rolle verabschiedet: Sie will nicht
mehr die verlängerte Werkbank der globalen Wirtschaft sein, sondern
auf Augenhöhe mit den großen Playern mithalten. Rezzo Schlauch,
ehemals Fraktionsvorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen und
Parlamentarischer Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, geht mit
Deutschland hart ins Gericht. Er wirft Politikern und Unternehmern
gleichermaßen vor, mit einer Mischung aus Naivität und Lethargie
tatenlos zuzusehen, wie das Reich der Mitte deutsche Technologie
aufkauft. Doch inzwischen dreht sich der Wind und die Diskussion über
mögliche Schranken ist endlich auch öffentlich in Gang gekommen. Die
Bundesregierung schaut genauer hin und hat die Ãœbernahme der
Osram-Lampensparte Ledvance durch chinesische Investoren gebremst.
Die Unbedenklichkeitsbescheinigung gegen einen Verkauf von Aixtron
nach China wurde schon zuvor zurückgezogen. Darüber hinaus wünscht
sich Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel, der gerade in China
unterwegs ist, neue Instrumente, um deutsche Schlüsseltechnologien
vor dem Ausverkauf zu schützen. Doch obwohl die Rahmenbedingungen für
Investoren in beiden Ländern diametral auseinanderklaffen, beobachten
deutsche Wirtschaftsvertreter die Entwicklung zwar mit Sorge,
sprechen sich aber gegen das Hochziehen von Schutzwällen aus.
Tatsache ist und bleibt nun einmal: Im Reich der Mitte gibt es für
ausländische Investoren - im Gegensatz zum offenen Markt hierzulande
- in vielen Bereichen Restriktionen und Zugangsbeschränkungen. Die
Ãœbernahme eines chinesischen Unternehmens nach dem Modell Kuka durch
deutsche Investoren wäre in China undenkbar. Politik und Wirtschaft
dürfen mit ihren Bemühungen nicht nachlassen, dass deutsche
Unternehmen in der Volksrepublik tun dürfen, was Chinesen in
Deutschland erlaubt ist. In einer globalisierten Wirtschaftswelt
sollten idealerweise für alle die gleichen Regeln gelten. Bei aller
Liebe zur Marktwirtschaft und zu offenen Märkten sollte sich ein Land
aber auch schützen (können), wenn es andere mit dem unfairen
Wettbewerb zu bunt treiben. Dass die Chinesen ihre Politik schnell
ändern, ist nicht zu erwarten. Eher im Gegenteil: Nach Jahren der
wirtschaftlichen Öffnung setzt Staatschef Xi Jinping auf eine
Re-Nationalisierung. An einer Eskalation dürfte beiden Seiten am Ende
nicht gelegen sein. Deutschland braucht China als Absatzmarkt und
China braucht das Engagement westlicher Firmen. Nun ist
Fingerspitzengefühl gefragt. Die Politik sollte zum einen den
Ausverkauf deutscher Interessen verhindern, darf zum anderen aber
keine Spirale des Protektionismus in Gang setzen. Wie sagte schon der
chinesische Philosoph Konfuzius: Der Weg ist das Ziel.
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