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Bundesgerichtshof zum Sportrecht

ID: 1420808

Schiedsvereinbarung zum CAS wirksam

(firmenpresse) - Mit Urteil vom 7. Juni 2016 im Schadensersatzprozess der Eisschnellläuferin Claudia Pechstein gegen den Eisschnelllauf-Weltverband International Skating Union (ISU) entschied der erste Senat des Bundesgerichtshofs, dass die zwischen der Athletin und der ISU geschlossene Schiedsvereinbarung wirksam sei und einer Klage vor staatlichen Gerichten entgegenstehe. Damit widersprach der Bundesgerichtshof der Einschätzung des Kartellsenates des Oberlandesgerichts München. Dieser hatte die Klage der Athletin für zulässig erachtet. Die Einrede der Schiedsgerichtsbarkeit stehe, so das OLG, nicht entgegen, da die zwischen der Athletin und der ISU geschlossene Schiedsvereinbarung wegen Verstoßes gegen zwingendes Kartellrecht unwirksam sei.



OLG München: Schiedsvereinbarung wegen Kartellrechtsverstoß unwirksam



Das Oberlandesgericht München bewertete den faktischen Zwang der Athletin eine Schiedsvereinbarung abzuschließen, als Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung des Verbandes. Der Münchner Senat bejahte zwar die Notwendigkeit einheitlicher (Sanktions-) Verfahren im internationalen Sport. Er sah aber die Rechte der Athleten in der derzeitigen Ausgestaltung des Schiedsverfahrens vor dem Internationalen Sportschiedsgericht CAS in Lausanne nicht hinreichend gewahrt. Die Parteien des Schiedsverfahrens müssen dort jeweils einen Schiedsrichter aus der geschlossenen Schiedsrichterliste des CAS ernennen. Die Zusammensetzung der Liste obliegt dem International Council of Arbitration für Sport (ICAS). In diesem 20-köpfigen Gremium stellen die internationalen und nationalen Olympischen Komitees sowie die internationalen Spitzenverbände zwölf Vertreter. Diese Zwölf ernennen vier Athletenvertreter. Die so gebildeten sechzehn Vertreter ernennen vier unabhängige Mitglieder. Aufgrund des zahlenmäßigen Übergewichts der Sportorganisationen, die in Dopingstreitverfahren auch für die Verfolgung und Sanktionierung von Dopingverstößen zuständig sind, könne der Eindruck entstehen, dass die Schiedsrichter auf der Liste nicht gänzlich neutral seien. Verstärkt werde dieser Effekt durch den Umstand, dass der Vorsitzende des Schiedsgerichts in Berufungsverfahren jeweils durch den Präsidenten der Berufungsabteilung des CAS ernannt wird. Der Präsident der Berufungsabteilung seinerseits wird wiederum vom ICAS ernannt, in dem die Sportorganisationen ein Übergewicht haben. Dies führe in Summe dazu, dass das derzeitige Verfahren zugunsten des internationalen Sports ausgestaltet sei, ohne dass hierfür ein sachliches Erfordernis bestehe. Könnte der einzelne Sportler frei wählen, so würde er sich - so die Kontrollüberlegung des Oberlandesgerichts München - nicht für ein Schiedsverfahren in der derzeitigen Form entscheiden. Im Ergebnis verstoße die derzeitige Ausgestaltung des Schiedsverfahrens gegen deutsches Kartellrecht, so dass die zugrundeliegende Schiedsvereinbarung nichtig sei.







Bundesgerichtshof: CAS als "echtes" Schiedsgericht



Der Bundesgerichtshof hielt dagegen die Schiedsvereinbarung für wirksam. Der CAS sei ein "echtes" Schiedsgericht im Sinne der Zivilprozessordnung und könne daher an die Stelle der staatlichen Gerichtsbarkeit treten. An der Qualität eines "echten" Schiedsgerichts fehle es zwar, wenn die Schiedsrichter nicht unabhängig seien, insbesondere wenn die Mitglieder des Spruchkörpers allein oder überwiegend von einer Partei bestimmt werden oder wenn die Streitbeteiligten keinen paritätischen Einfluss auf die Besetzung des Spruchkörpers haben. Durch die Zusammensetzung des ICAS habe der organisierte Sport zwar ein Übergewicht; dieses bestehe aber nicht zugunsten des Einzelnen, am konkreten Verfahren beteiligten Sportverbandes, hier der ISU. Denn diese habe als einzelner Verband keinen konkreten Einfluss auf die Auswahl der Schiedsrichter auf der CAS-Liste. Dies folge daraus, dass Verbände und Athleten nicht in zwei unterschiedlichen Lagern stünden. Vielmehr decke sich das grundsätzliche Interesse der Verbände und der Sportler an einem dopingfreien Sport.



BGH: Kein Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung



Die Schiedsvereinbarung verstößt nach dem Urteil des Bundesgerichtshofs nicht gegen Kartellrecht. Zwar organisiere die ISU als einziger Verband Eisschnelllauf-Weltmeisterschaften und sei daher ein Monopolverband. Als solcher dürfe die ISU ihre marktbeherrschende Stellung nicht missbrauchen. Ob in dem Verlangen einer bestimmten Schiedsvereinbarung als Teilnahmevoraussetzung ein Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung liege, sei durch eine umfassende Interessenabwägung zu ermitteln. Diese falle hier zugunsten des Verbandes aus. Zwar könne sich der betroffene Sportler auf die Berufsfreiheit nach Artikel 12 Abs. 1 Grundgesetz und den Justizgewährungsanspruch nach Artikel 19 Abs. 4 Grundgesetz berufen; demgegenüber überwiege aber das durch Artikel 9 Abs. 1 Grundgesetz geschützte Interesse des Sportverbandes an einem effektiven Anti-Dopingkampf.



BGH: Athlet handelt fremdbestimmt, aber nicht unfreiwillig



Die Schiedsvereinbarung sei, so der BGH, auch nicht deshalb unwirksam, weil es an der Freiwilligkeit bei der Unterzeichnung fehle. Zwar sei die Athletin verpflichtet, die Vereinbarung zu unterzeichnen, wenn sie an der Eisschnelllauf-Weltmeisterschaft teilnehmen will. Ein unmittelbarer Zwang zur Unterzeichnung, der eine Unfreiwilligkeit begründe, folge hieraus jedoch nicht. Die Unterzeichnung der Schiedsvereinbarung durch die Athletin sei zwar fremdbestimmt, aber nicht "unfreiwillig" gewesen. Die Schiedsvereinbarung sei daher nicht wegen fehlender Freiwilligkeit unwirksam.



Auf den vom Oberlandesgericht München thematisierten Aspekt der Ernennung des Vorsitzenden durch den Präsidenten der Berufungsabteilung des CAS geht der Bundesgerichtshof nicht näher ein. Vielmehr geht er in seiner Entscheidung - abweichend von den Statuten des CAS - davon aus, dass der Vorsitzende des Schiedsgerichts in erster Linie durch die von den beiden Parteien bestimmten Schiedsrichter ernannt werde und der Präsident der Berufungsabteilung lediglich zuständig sei, wenn sich die beiden übrigen Schiedsrichter nicht einigen könnten.



BGH: Ãœbergeordnetes gemeinsames Interesse an effektivem Anti-Dopingkampf



Im Ergebnis stellt der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung weniger auf die konkrete Konstellation ab, in der sich die ISU und die Athletin als zwei verschiedene Parteien in der Rolle des (An-) Klägers und der Beklagten gegenüberstanden. Vielmehr nimmt der Bundesgerichtshof das Gesamtsystem der Sportgerichtsbarkeit in den Blick. Gegenstand der Betrachtung und Bewertung ist demnach nicht die kontradiktorische Stellung im einzelnen Verfahren, sondern das übergeordnete Interesse aller am Sport Beteiligten an einem funktionierenden Anti-Dopingsystem einschließlich entsprechender Sanktionsverfahren. Auf dieser (Abstraktions-) Ebene geht der Bundesgerichtshof davon aus, dass sich die Interessen von Sportverbänden und Athleten nicht im Sinne zweier gegensätzlicher "Lager" gegenüberstehen. Das Oberlandesgericht München stellte dagegen in seiner Betrachtung auf die konkrete Konstellation ab und sah dabei die paritätische Besetzung des Schiedsgerichts aufgrund des strukturellen Übergewichts der Sportverbände gefährdet. Mit dem Urteil des Bundesgerichtshofs ist der zivilrechtliche Instanzenzug abgeschlossen. Möglich bleibt eine Verfassungsbeschwerde.



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Datum: 04.11.2016 - 15:55 Uhr
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