(ots) - Frank-Walter Steinmeier ist ein kluger, ruhiger
Mann, der zuhören kann. Er ist nicht eitel. Und er ist undogmatisch.
Das macht ihn zu einem tragfähigen Konsenskandidaten für das Amt des
Bundespräsidenten. Denn dorthin, wo er heute ist, hätte er auch auf
anderem Wege gelangen können - etwa mit einem CDU-Parteibuch.
Man könnte also sagen: Steinmeier, der dienende Beamte, der
geduldige Aufwärtsfahrer, stets maßvoll im Ton, ist genau der
Richtige, um einer Welt, die so bedrückend aus den Fugen zu geraten
scheint, beruhigende Antworten zu geben. Niemand steht mehr für
Stabilität als dieser demokratische Funktionär.
Er wird sicher nichts kaputt machen. Oder vielleicht doch?
Gerade weil seine Person so sehr mit Kontinuität verbunden wird,
ist Steinmeier nicht der Richtige für dieses Amt. In einer Zeit, in
der sich alle Anstrengungen darauf richten müssen, die soziale
Spaltung der Gesellschaft und den aufkommenden Autoritarismus auch in
Deutschland zu bekämpfen, signalisiert seine Person: Weiter so. Wer
jedoch vermittelt, alles müsse nur so laufen wie bisher, bietet
Populisten Angriffsfläche.
Während sich große Teile der Gesellschaft von der politischen
Klasse nicht mehr repräsentiert fühlen, soll nun also ausgerechnet
einer Präsident werden, der wie kein Zweiter für den Typus des
Berufspolitikers steht. Soll er künftig der Bundesregierung mahnende
Worte aus der Distanz zurufen? Kann er das Volk glaubhaft
repräsentieren?
Ein künftiger Präsident oder eine Präsidentin wird außerdem, wenn
er oder sie bedeutsam sein will, die soziale Frage zu einem
Kernanliegen machen müssen. Wie die Frage von Ausgrenzung und
Teilhabe in Deutschland beantwortet wird, wird bestimmen, ob es
gelingt, die Entwicklung zu einer immer stärkeren Polarisierung, zu
Fremdenfeindlichkeit und Gewalt aufzuhalten. Was kann Steinmeier,
Architekt der Agenda 2010, dazu beitragen?
Viele diskutieren nun machtarithmetische Fragen wie: Hat Gabriel
sich durchgesetzt? Hat Merkel verloren? Ist Steinmeier ein Zeichen
für Schwarz-Rot? Das ist nicht Politik, sondern deren Simulation.
Steinmeiers Erfolg ist allein ein Zeichen dafür, dass die politische
Klasse in Berlin nicht das Zutrauen hat, eine Person zu benennen, die
für mehr steht als ein hermetisches politisches System.
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