(ots) - Gegen das Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf
(UKE) werden schwere Vorwürfe erhoben. Es besteht der Verdacht, dass
Daten von 14 Lungenpatienten falsch angegeben wurden, um den Kranken
einen schnelleren Zugang zu einem Spenderorgan zu verschaffen. Das
UKE arbeitet in einem Lungentransplantationsprogramm mit der
LungenClinic Großhansdorf zusammen. Umfangreiche Originalakten der
Patienten sind verschwunden. Nach Informationen des NDR
Politikmagazins "Panorama 3" ermittelt die Staatsanwaltschaft Hamburg
deshalb im UKE und in der LungenClinic Großhansdorf wegen
"Aktenunterdrückung". (Sendung: "Panorama 3", Dienstag, 15. November,
21.15 Uhr, NDR Fernsehen).
Die Strafermittlungen wurden den Recherchen zufolge von einem
Bericht einer Überwachungskommission ausgelöst, die das Hamburger
Lungentransplantationsprogramm im vergangenen Jahr überprüfte. Die
Kommission aus Experten der Bundesärztekammer, des Spitzenverbandes
der Krankenkassen und der Deutschen Krankenhausgesellschaft stellt in
ihrem Bericht "Unregelmäßigkeiten" in erheblichem Ausmaß fest. Sie
untersuchte 25 Lungentransplantationen im Zeitraum 2010 bis 2012. In
mehr als der Hälfte der Fälle (14) hätten die Ärzte im UKE und in
Großhansdorf den Gesundheitszustand der Lungenpatienten schlechter
dargestellt, als er tatsächlich war. In Anträgen bei der
Vermittlungsstelle Eurotransplant auf Spenderlungen gaben die Ärzte
laut dem Bericht für ihre Patienten extrem niedrige
Sauerstoffsättigungswerte von teilweise weniger als 70 Prozent an.
Dies zeigt einen lebensbedrohlichen Zustand an. Dadurch sollten die
Patienten offenbar auf der Warteliste nach oben rutschen und als
"High-Urgency-Fälle" (Fälle mit hoher Dringlichkeit) schneller an
eine gespendete Lunge kommen. Laut Ãœberwachungskommission stehen die
Daten in den Anträgen im Widerspruch zu Angaben, die sich in Kopien
einiger Krankenunterlagen fänden. Darin seien beispielsweise die
Gesundheitswerte der Patienten kurz vor der Antragstellung auf eine
Spenderlunge mit deutlich besseren Werten notiert worden. Der
Verdacht liege nahe, so der Bericht, dass der Gesundheitszustand
nicht ganz so kritisch war und es somit zu einer unlauteren
Bevorzugung der Hamburger Patienten kam.
Als "ganz außergewöhnlich" bezeichnen die Kontrolleure die
Tatsache, dass die Originalakten in großem Umfang "unauffindbar"
seien. "Die fehlenden Dokumente (...) begründen den Verdacht, dass
auf diese Weise systematisches Fehlverhalten der beteiligten Ärzte
vor Entdeckung bewahrt werden sollte", heißt es in dem
Untersuchungsbericht. "Wir wollten in dem Bericht sehr deutlich zum
Ausdruck bringen, wie einmalig der Vorgang einmal ist", begründet
Torsten Verrel die scharfe Sprache des Berichts im Interview mit
"Panorama 3". Verrel ist Professor für Strafrecht an der Uni Bonn und
Mitglied der Ãœberwachungskommission.
Bereits 2012 hatte eine Affäre um manipulierte Patientendaten die
Transplantationsmedizin in Deutschland erschüttert. Brennpunkt des
noch nicht endgültig aufgearbeiteten Skandals war damals die
Uniklinik Göttingen.
Das UKE, das im Hamburger Lungentransplantationsprogramm die
Federführung hat, sagte in einer Stellungnahme gegenüber "Panorama
3", man "erkenne einige Kritikpunkte der Kommission an". Allerdings
bestreitet das Klinikum "Eingriffe in die Rangfolge von Patienten auf
der Transplantationsliste". Auf Anfrage von "Panorama 3" teilt die
Hamburger Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz mit, dass sie
die Befunde der Überwachungskommission "sehr ernst" nehme. Es würden
berufsrechtliche Konsequenzen geprüft.
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