(ots) - Angela Merkel tritt nicht mehr an. Sie will das Feld
den Jüngeren in der CDU überlassen. Das wäre am Wochenende eine
Meldung gewesen, die das politische Deutschland aufgerüttelt hätte.
So aber gab Angela Merkel das bekannt, was ohnehin jeder wusste: Sie
kandidiert erneut für den CDU-Vorsitz und das Kanzleramt. Wer auch
sonst? Wer sonst in der Partei wäre derzeit in der Lage, die
Christdemokraten und insbesondere dieses Land zu führen? Angela
Merkel steht für Erfahrung, für Stabilität, für Verlässlichkeit. Für
die Union ist dies Fluch und Segen zugleich.
Wenn es um den reinen Machterhalt geht, war Angela Merkel bisher
eine sichere Bank. Sie holte der CDU die Mehrheiten und den
Abgeordneten die Mandate. Deshalb konnte sie der Bundestagsfraktion
in den vergangenen Jahren einiges zumuten. So mancher
CDU-Parlamentarier ballte insbesondere in der Flüchtlingspolitik und
mit Blick auf die Sozialdemokratisierung der Partei die Fäuste in der
Tasche, fügte sich dann aber doch dem Willen der Chefin.
An der Basis sieht dies etwas anders aus, zumal es dort weniger
oder gar keine Abhängigkeiten von Merkel gibt. Gerade dem
konservativen Flügel der Partei ist die politische Heimat abhanden
gekommen, dort rumort es teilweise gewaltig. Dass Horst Seehofer und
seine CSU diese Lücke in Bayern ausfüllen, ist dabei nur ein
schwacher Trost. Zumal die Christsozialen beim Fischen am
konservativen, rechten Rand bisweilen die Grenzen
verantwortungsvoller Politik überschreiten. Erschwerend kommt für die
CDU hinzu, dass Angela Merkel und ihr ausgeprägter Machtinstinkt es
seit Jahren nicht zulassen, dass sich jemand aus der zweiten Reihe
der Partei nachhaltig profiliert. Auch deshalb gibt es auf die Frage
"Wer sonst?" keine Antwort.
Dennoch geht Angela Merkel mit ihrer Kandidatur ein weitaus
größeres Risiko ein als in den vergangenen Amtsperioden. Zwar spricht
einiges dafür, dass die Union stärkste Kraft und Angela Merkel
Bundeskanzlerin bleibt - aber die sichere Bank für ihre Partei ist
sie nicht mehr. Die Kanzlerin, früher Garant des Ausgleichs,
polarisiert und mobilisiert ihre Gegner. Nicht zuletzt die US-Wahlen
haben gezeigt, dass das Wählerpotenzial der Unzufriedenen einiges
bewegen kann. Zumal Angela Merkel ein Deutschland führt, das
verunsichert und gespalten ist wie selten zuvor. Ein Land, das in der
Euro- und Finanzkrise seine Stärke zeigte, in dem aber auch
wirtschaftliche Erfolge die Verlustängste nicht vertreiben konnten.
Ein Land, in dem die Kanzlerin vor allem durch die offenen Grenzen in
der Flüchtlingskrise viel Vertrauen einbüßte, das sie trotz einer
zuletzt restriktiven Asylpolitik nicht zurückgewinnen konnte. Ein
Land, in dem der Ton deutlich rauer geworden ist und Beleidigungen
vor allem im Internet zur Tagesordnung gehören. Und das alles in
einem Europa, das eine seiner größten Vertrauens- und Existenzkrisen
durchlebt.
Wer sich jetzt noch die politische Unberechenbarkeit des neuen
US-Präsidenten Trump, das rücksichtlose Machtstreben des russischen
Präsidenten Putin und das diktatorische Vorgehen des türkischen
Präsidenten Erdogan vor Augen führt, könnte die Frage stellen, warum
sich Angela Merkel das alles noch einmal antut. Pflichtbewusstsein?
Die Freude am Regieren? Die Lust an der Macht? Die historische
Herausforderung? Eine Mischung aus allem? Oder einfach die Tatsache,
dass ein Rückzug einer Kapitulation gleichkäme? Und das nach zwölf
Jahren im Amt? Nein, das wollte sie nicht zulassen. Auch deshalb
tritt Merkel noch einmal an.
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