(firmenpresse) - Brüssel/Bonn/Düsseldorf - Die zu Ende 2004 kursierenden Jahres-Berichte zur Situation des Telekommunikationsmarktes in Deutschland wie in Europa bedürfen nach Meinung von Branchenkennern einer kritischen Würdigung und weiteren Hinterfragung dessen, was hinter den Zahlen steht. Aktuell liegen das Jahrbuch 2004 des Verbandes der Anwender von Telekommunikations- und Mehrwertdiensten e.V. (VATM) http://www.vatm.de vor, wie auch der zehnte Bericht der EU-Kommission http://europa.eu.int/pol/infso/index_de.htm zur Umsetzung der Vorschriften zur elektronischen Kommunikation. Beide Berichte zeigen zwar positive Tendenzen und Entwicklungen, aber machen auch deutlich, dass der Telekommunikationsmarkt in Europa noch weit von einem echten, lebendigen Wettbewerb entfernt ist, und dass besonders Deutschland sich nur noch dank der EU-Osterweiterung im Mittelfeld der EU aufhält. Bezogen auf die EU vor der Osterweiterung gehört Deutschland zu den Ländern mit einer schwachen Wettbewerbsausprägung wie auch zu der Gruppe der Länder, die den EU-Spitzenländern bei neuen Technologien wie DSL schon weit hinterherhinken.
Die Penetration durch den Mobilfunk hat mittlerweile in der Europäischen Union im Durchschnitt 83 Prozent der Bevölkerung erreicht und ist damit nahe an einer Sättigungsgrenze, für die "alte" EU der fünfzehn Länder beträgt dieser Wert sogar bereits 87 Prozent. In absoluten Zahlen sind das mehr als 379 Millionen Subscriber. Der Umsatz der Mobilfunksparte europaweit stieg von 114 Milliarden Euro in 2003 auf geschätzte 122 Milliarden in 2004. Der Average Revenue per User (ARPU) sank dabei von etwa 31 Euro auf knapp 27 Euro pro Subscriber und Monat. Bei UMTS beträgt die Zahl in der EU etwa 2,6 Millionen. Diese Zahlen geben einen Hinweis auf die Probleme der Mobilfunkbranche, die grundsätzlich kein nennenswertes Marktwachstum mehr erwarten kann und auch bisher nicht in der Lage war, mit neuen Diensten ein Volumengeschäft zu erreichen. Kritik übt die EU-Kommission weiterhin an zu hohen Terminierungsentgelten der Mobilfunknetzbetreiber und zu hohen Preisen für internationales Roaming. Die leichte Verbesserung der Wettbewerbssituation, nämlich das Sinken des Marktanteils führender Betreiber von 46,6 auf 43,2 Prozent, deutet zwar auf eine Erhöhung der Wettbewerbssituation hin, aber gerade im deutschen Markt lässt sich bisher eine weitgehende Stagnation feststellen. Omar Khorshed, Vorstandsvorsitzender der Düsseldorfer acoreus AG http://www.acoreus.de , sieht seine These vom Wandel im Mobilfunkmarkt bestätigt durch das Auftreten von Tchibo als Mobilfunkanbieter und den schon bekannt gewordenen Plänen für "Economy-Marken" anderer Netzbetreiber: "Im Grunde ist es schon lange überfällig, dass der Mobilfunk sich als das präsentiert, was er schon lange ist, nämlich ein Commodity-Produkt. Mobilfunk ist ein preissensitiver Dienst und benötigt daher schlanke Vermarktungskonzepte, eine einfache Preisgestaltung und breite Vertriebskanäle". Khorshed bezweifelt daher, dass der Ansatz, mit komplexen Premium-Diensten wie UMTS den Markt aufzurollen, erfolgreich sein wird. "Tatsächlich ist auch das Bedürfnis der Mobilfunkanwender nicht beliebig manipulierbar. Fotos mit dem Handy zu machen mag ja für viele interessant sein, aber diese dann über das Netz zu anderen Handys zu versenden, macht für die meisten Benutzer keinen wirklichen Sinn". Auch die übliche Markstrategie der deutschen Mobilfunknetzbetreiber, neue Dienste generell erst einmal als hochpreisige Dienste anzusiedeln und das ohne echten Wettbewerb zwischen den Anbietern, verhindere den breiten Markterfolg, der aber notwendig sei.
Sind die Umsätze in der normalen Festnetztelefonie bereits rückläufig, nämlich EU-weit von 91 Milliarden Euro in 2003 auf 90 Milliarden in 2004, steigt das Geschäft mit den Breitbandanschlüssen. Insgesamt haben Ende 2004 rund 29,6 Millionen Teilnehmer in der EU Breitbandzugänge, was ein Wachstum von 72 Prozent bedeutet und einer Penetration von 6,5 Prozent der Bevölkerung entspricht. In Deutschland liegt der Penetrationsgrad mit 6,6 Prozent auf EU-Durchschnitt, aber bezogen auf die "alte" EU der 15 Länder schon unter deren Durchschnitt von 7,5 Prozent. Länder wie Dänemark, die Niederlande und Belgien liegen bei rund 14 bis 16 Prozent, im internationalen Vergleich damit noch weit unter Süd-Korea, aber auch weit vor Deutschland. "Ich habe bereits wiederholt darauf hingewiesen, dass die Breitbandversorgung in Deutschland besorgniserregend niedrig ist. Hier zeigen sich die Ergebnisse von mangelndem Infrastrukturwettbewerb und fehlenden Technologie-Alternativen. Wer technologisch und wirtschaftlich führend im internationalen Rahmen sein möchte, wie für Deutschland offiziell erklärt wird, muss das Thema Breitbandzugänge deutlich stärker forcieren". Der Bericht der EU-Kommission folgt hier exakt der Argumentation Khorsheds, wenn dort festgehalten wird: "Der Breitbandversorgungsgrad variiert beträchtlich bei den Mitgliedstaaten und ist allgemein am höchsten in jenen Ländern, in denen lebensfähiger Wettbewerb über Kabel und andere alternative Netze und über den entbündelten Teilnehmeranschluss gegeben ist".
Auch der Jahresbericht des VATM hält fest, dass der Markt in Deutschland von einem echten Innovationswettbewerb noch weit entfernt ist. Besonders bemängelt wird auch, dass die erreichbaren Margen für Wettbewerber der Deutschen Telekom beim Resale von DSL-Anschlüssen der Telekom aufgrund des geringen eigenen Wertschöpfungsanteils viel zu niedrig sind. Hoffnung setzt der VATM aber in drahtlose Breitbandzugänge wie WLAN (WiFi) und WiMAX. Allerdings müssen auch dafür Voraussetzungen für Infrastruktur und Regulierung wie die Frequenzzuordnung für WiMAX existieren. Beides ist derzeit nicht befriedigend: für WLAN-Angebote ist der Wettbewerb wieder auf Telekom-Leitungen angewiesen und WiMAX wird von der Regulierungsbehörde noch gar nicht ernsthaft angegangen. Khorshed hält de facto die Wettbewerbssituation in der Telekommunikation in Deutschland für deutlich schlechter, als sie sich in den reinen Marktzahlen ausdrückt: "Am Ende des Tages sind beachtliche Teile des durch die kleinen Wettbewerber erzielten Umsatzes doch wieder in die Taschen der Telekom zurückgeflossen. Im Grunde fungieren viele kleine Anbieter als eine Art indirekter Vertriebskanal der Deutschen Telekom. Es bleiben derzeit nur wenige Nischen, wo Anbieter sich profitabel positionieren können. Wir können alle zusammen nur den Druck auf den Regulierer und auf die Politik erhöhen, die weitreichenden Konsequenzen eines mangelnden Wettbewerbs zu erkennen und dem deutlich entgegenzusteuern."