(ots) - Je länger Wolfgang Schäuble Bundesfinanzminister ist,
desto mehr erinnert er an einen Zocker, der mit diebischer Freude
ausprobiert, wie weit er gehen kann. Frechheit siegt, und es könnte
ja sein, dass die anderen mehr mitmachen als erwartet. So musste er
bei der Erbschaftsteuer ebenso mühsam zu einem Kompromiss gedrängt
werden wie bei der Neuordnung der Finanzbeziehungen zwischen Bund und
Ländern. Die Finanzierung der Renteneinheit, also die Angleichung der
Ost-Renten ans West-System, ist immer noch ungeklärt, obwohl sich
Arbeitsministerin Andrea Nahles eigentlich sicher war, dass das Geld
von Schäuble kommt. Die Sprecher beider Häuser mussten sich vor
laufenden Kameras einen skurrilen Wettbewerb liefern, wer wohl Recht
hat. Der Streit ist noch nicht gelöst. Mir gäbet nix - dieses
schwäbische Motto hat Schäuble tief verinnerlicht, obwohl er Badener
ist. Das gehört zu den Kernaufgaben eines Finanzministers, sonst
müsste er schnell Staatsbankrott anmelden. Aber er testet lustvoll
seine Grenzen aus ohne Rücksicht darauf, dass er sich eine Schlappe
einhandeln könnte. Mit 74 Jahren hat er nichts mehr zu verlieren. So
geht er auch bei der Bundesfernstraßengesellschaft vor. Derzeit sind
die Länder für Bau, Unterhalt und Sanierung zuständig, der Bund gibt
nur das Geld. Dass dies in der Praxis ineffektiv und schlecht läuft,
zeigt sich jeden Tag. Viele Länder haben in Zeiten, da der Bund bei
den Investitionen auf der Bremse stand, ihre Planungskapazitäten
stark zurückgefahren. Das rächt sich jetzt, wenn er mehr Geld zur
Verfügung stellt: Vielerorts kann es gar nicht so schnell verbaut
werden. Das ist ein unhaltbarer Zustand, schon weil eine gute
In¬frastruktur die Grundvoraussetzung für eine florierende Wirtschaft
ist. Im Prinzip war es daher durchaus richtig, dass Schäuble die
Gunst der Stunde genutzt und bei den Verhandlungen über die
Finanzbeziehungen durchgesetzt hat: Der Bund übernimmt die Betreuung
der Autobahnen. Wobei allerdings noch der Beweis erbracht werden
muss, dass eine große und zentrale Verwaltung tatsächlich effektiver
ist. Die Infrastrukturgesellschaft soll privatrechtlich organisiert
werden. Das ist auch das Eingeständnis, dass eine Behörde oder eine
öffentlich-rechtliche Gesellschaft zu unflexibel und zu langsam
wären, dies zu erledigen. Post und Telekom haben vorexerziert, wie
vorteilhaft der private Weg sein kann; bei der Bahn klappt er nicht
immer überzeugend. Schäuble hätte sich am liebsten alle Möglichkeiten
offen gehalten, zumindest längerfristig die Gesellschaft teilweise zu
privatisieren und auch privates Kapital zu mobilisieren. Wobei ihm
keiner seine Schwüre abgenommen hat, damit wolle er nicht die
Schuldenbremse umgehen. Es gibt jede Menge Extratöpfe neben dem
Bundeshaushalt. Er hätte nur einen weiteren geschaffen. Gut, dass
dies die Koalition verhindert hat. Ob die Neuorganisation klappt,
muss Schäuble erst beweisen. So kritisiert der Rechnungshof, dass die
Umstellung zu schnell und ungeplant erfolgen soll. Wenn es schief
geht, wären wir alle die Dummen.
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Ulrike Sosalla
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