(ots) - In der historischen Perspektive ist die OSZE
ein spätgeborenes Kind des Kalten Krieges. Sie ist hervorgegangen aus
der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE), die
1973 mit der berühmten Schlussakte von Helsinki endete. Diese
Erklärung von 35 Staaten, darunter die USA und die Sowjetunion,
markierte einen Höhepunkt der Entspannungspolitik zwischen Ost und
West. Daran zu erinnern, ist in diesen Wochen besonders wichtig - und
zwar nicht nur, weil seit der Ukraine-Krise mitunter von einem neuen
Kalten Krieg die Rede ist. Der Verweis auf die Ursprünge der OSZE
deutet vor allem auf ihre unsichere Zukunft hin. Das weltpolitische
Umfeld wird sich 2017 deutlich ändern. Der künftige US-Präsident
Donald Trump ist ebenso ein bekennender Verächter des
Multilateralismus wie Kremlchef Wladimir Putin. Trump will politische
Geschäfte machen (deal-making), um seine Ziele zu erreichen. Der
beste Ort dafür sind bekanntlich Hinterzimmer, in denen dicker
Zigarrenrauch hängt und niemand mithört. Dort treffen sich dann echte
Männer, man reicht sich am Ende die Hand, und alles wird gut. Oder
auch nicht. Sicher ist: Internationale Verträge und Organisationen
können dabei nur stören. Trump hat nicht zufällig dem Weltklimapakt,
allerlei Freihandelsverträgen, den Vereinten Nationen und sogar der
Nato sein Misstrauen ausgesprochen. Die OSZE dürfte, sofern Trump
überhaupt weiß, worum es sich dabei handelt, beim US-Präsidenten weit
oben auf der Liste der überflüssigsten Institutionen stehen. Das
wissen auch alle Beteiligten des OSZE-Gipfels in Hamburg, von dem
niemand belastbare Ergebnisse erwartet. Es war mehr als bezeichnend,
dass der Gastgeber, Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier,
seinen russischen Kollegen Sergei Lawrow vor Gipfelbeginn bat,
wenigstens kein weiteres Öl ins Feuer zu gießen. Die OSZE, die im
Ukraine-Konflikt als Schlichtungs- und Ãœberwachungsinstanz eine
wichtige Rolle spielt, wird also in Hamburg auf ein Abstellgleis
rangiert. Trump hat derweil angekündigt, das Gespräch mit Putin zu
suchen und unter Männern über Streitfragen wie Syrien, die Ukraine
oder die Raketenabwehr in Osteuropa zu sprechen. Das muss nicht in
einem Desaster enden, im Gegenteil: Manches spricht dafür, dass der
Kreml in einem solchen Gebaren eben jene Wiederaufwertung Russlands
zur Großmacht sehen würde, die sich Putin so sehnlich wünscht. Auf
dieser Basis könnte es also nicht nur zu Deals, sondern zu echten
Durchbrüchen kommen. Das Problem ist nur: Niemand weiß, wie
verlässlich solche Absprachen wären. Niemand weiß, ob die betroffenen
Staaten, ihre politischen Führer und die Völker mitspielen würden.
Gerade im Osten Europas ist die Erinnerung an die Konferenz von Jalta
1945 noch äußerst lebendig, als Stalin, Roosevelt und Churchill über
die Köpfe der Betroffenen hinweg die Nachkriegsordnung in Europa
festzurrten. Was also geschieht zum Beispiel in der Ukraine, wenn
Trump sich mit Putin darauf einigen sollte, die Krim und den Donbass
Russland zu überlassen, während die Rest-Ukraine freies Geleit auf
ihrem Weg nach Westen bekäme? Noch einmal: Im besten Fall kann so
etwas funktionieren. Zugleich allerdings würde das Signal ausgesandt,
dass völkerrechtliche Verträge das Papier nicht wert sind, auf dem
sie stehen. Es wäre eine Rückkehr ins 19. Jahrhundert, so wie Putins
Annexion der Krim ein imperialistischer Eroberungszug war. Es wird
deshalb entscheidend darauf ankommen, Trump und Putin, falls sie
zueinander finden sollten, trotz allem in ein multilaterales Korsett
wie die OSZE zu zwingen. Europa, China und der Rest der Welt haben
dazu sehr wohl die Kraft. Die Zeit der Supermächte ist vorbei.
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