(ots) - Der Föderalismus in Deutschland hatte schon einmal
einen besseren Ruf als heute: 16 Landesregierungen, 16 Parlamente, 16
Länder-Polizeien und Verfassungsschutzämter, dazu der Flickenteppich
in der Schulpolitik. Selbst der Bundesautobahnbau ist derzeit noch
Ländersache. Die Zweifel, ob eine derartige Zersplitterung von
Zuständigkeiten in einem zwar einwohnerstarken, aber letztlich doch
überschaubaren Land tatsächlich angemessen ist, sind in jüngster Zeit
lauter geworden. Dass Deutschland und seine Sicherheitsbehörden
dezentral organisiert sind, hat allerdings gute Gründe. Die
Verteilung der Verantwortungen auf viele Schultern folgt historischen
Erfahrungen, die man nicht einfach beiseite wischen kann. Die bunte
Länder-Vielfalt reicht tief zurück in die Geschichte, sie gehört
sozusagen zum deutschen Erbgut. Und speziell der dezentrale Aufbau
von Polizei und Nachrichtendiensten ist eine Reaktion auf die
mörderischen Erfahrungen der NS-Zeit.
Doch aus der Geschichte lernen, heißt ja nicht, den Blick für
vernünftige Veränderungen in der Gegenwart zu verlieren. Die
Vorschläge Thomas de Maizières zum Umbau der Sicherheitsarchitektur
sind ein Vorstoß zur rechten Zeit. Sie griffen - so sie denn
umgesetzt würden - tief ins föderale Selbstverständnis der Republik
ein. Die reflexhafte Abwehrhaltung der Bundesländer spricht Bände.
Doch de Maizière ist kein Polit-Rambo, der eine Mega-Polizeibehörde
zum Selbstzweck aus dem Boden stampfen will. Seine Vorschläge gehen
weit über die sonst oft als inhaltsleer kritisierten
Politiker-Versprechungen im Angesicht des Terrors hinaus. Sie sind
keine Kabinettsvorlage, bieten aber eine ernstzunehmende
Diskussionsgrundlage mit konkreten Vorschlägen. Ob der
Bundesinnenminister sich durchsetzen kann, ist eine andere Frage.
Über die Neuverhandlung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen gingen
Jahre ins Land. Angesichts der unverminderten Terrorgefahr dürfte das
Thema Sicherheit freilich eine andere Dynamik entfalten.
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