(ots) - Mittelbayerische Zeitung, Autor: Reinhard
Zweigler
Wundertüte Trump
Entgegen seiner sonstigen Art hat Donald Trump über das
schlagzeilenträchtige Interview mit der Bild-Zeitung aus Deutschland
sowie der angesehenen Times aus Großbritanien offenbar nicht
getwittert. Keine 140-Zeichen-Botschaft zu einem Gespräch, das viele
Politiker in Europa schockiert. Der künftige US-Präsident hat
sozusagen Trumps Weltsicht ausgebreitet. So, wie er sie sieht. Und
Donald Trump sieht die Probleme dieser Welt schlicht und in
Schwarz-Weiß, so wie er bereits seinen Wahlkampf führte. Zwischentöne
und versöhnliche Botschaften finden sich dagegen kaum in seinen
Antworten. Dafür allerdings viele Widersprüche zu den Positionen, die
seine designierten Minister vertreten. Schon bald nach seiner
Amtseinführung am Freitag muss der dann mächtigste Mann der Erde
erklären, was genau sein politischer Kurs ist, welche Positionen die
neue US-Administration einnehmen wird zur EU, zur Nato, zu
Deutschland, zu Russland. Mit den jetzigen widersprüchlichen Signalen
von Trump jedenfalls ist kein Staat zu machen. Er ist bislang eine
Wundertüte. Keiner weiß, was er wirklich bekommt. Es wird höchste
Zeit, dass der Wahlkämpfer Donald Trump auf Präsidentenmodus
umschaltet. Angela Merkel hat so besonnen auf Trumps Äußerungen
reagiert, wie sie dies bereits nach seiner Wahl getan hat:
Zurückhaltend, diplomatisch, an die gemeinsamen westlichen Werte
erinnernd. Auf die verbalen Attacken Trumps im Wahlkampf, der Merkel
wegen ihrer Flüchtlingspolitik für geisteskrank erklärt hatte, ging
die Kanzlerin wohlweislich nicht ein. Solche Entgleisungen müssen
unter den Tisch fallen, weil man sich demnächst an einen setzen muss.
Allerspätestens zum G20-Gipfel in Hamburg werden sich Merkel und
Trump persönlich treffen. Hoffentlich wesentlich früher. Und Telefone
gibt es schließlich auch. Merkels außenpolitische Späher haben
bereits Tuchfühlung mit dem künftigen Regierungsteam in Washington
aufgenommen. Lange Sprachlosigkeit zwischen Berlin und der
US-Hauptstadt können sich beide Seiten eigentlich nicht leisten.
Berlin ist vorerst geschockt und hofft zugleich auf Besinnung des
neuen Präsidenten in Washington. Schon gar nicht darf es zu einer
Verschlechterung des Verhältnisses zwischen der EU und den USA, immer
der wichtigste Bündnis- und Wirtschaftspartner jenseits des Atlantik,
kommen. Erst recht nicht zu einem Bruch. Man ist nämlich aufeinander
angewiesen. In vielerlei Hinsicht. Das Netz wirtschaftlicher
Verbindungen ist so eng geknüpft, dass es auch nicht durch ein paar
großspurige Drohungen Trumps gekappt werden könnte. Dass der künftige
Präsident etwa deutschen Autobauern, wie BMW, mit Strafzöllen droht,
wenn die neue Werke in Mexiko aufbauen sollten, dann darf man das
zwar nicht auf die leichte Schulter nehmen. Doch bange machen gilt
auch hier nicht. Trump hat offenbar nur wenig Ahnung davon, wie
international vernetzt etwa große Konzerne arbeiten und wie
strategisch sie investieren. Der bayerische Autobauer produziert seit
Jahren bereits in den USA, etwa in Spartanburg in South Carolina.
Donald Trump, der seine Milliarden vor allem mit
Immobilien-Geschäften machte, erweist sich als ein Anhänger eines
verstaubten Protektionismus und Nationalismus sowie der Abschottung
und des Mauerbauens. Einer Politik, die Anfang des vorigen
Jahrhunderts weltweit bestimmend war. Im 21. Jahrhunderts freilich
kann man mit den alten Rezepten vielleicht populistisch Stimmung
machen und bei Wahlen Stimmen gewinnen, doch die vertrackten Probleme
von Gegenwart und Zukunft sind so nicht in den Griff zu bekommen. So
oder so wird Trump jedoch eine riesige Herausforderung für die
Europäer, ihre Demokratien und ihre ins Trudeln geratenen
Institutionen. Gewiss die größte seit dem Fall des Eisernen Vorhangs
vor einem Vierteljahrhundert.
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