(ots) - Wenn man die präsidial-diplomatischen Dämpfer
abzieht, dann war Gaucks Abschiedsrede ein dramatischer Appell zur
Verteidigung von Demokratie, Freiheit und sozialer Sicherheit in
Deutschland und Europa. Noch sehen viele die Gefahren nicht. Vor
allem nicht jene Menschen, die die Stabilität ihres Landes nur
konsumieren wie eine Gratisbeilage. Und auch nicht die, die es
vermeintlich nur an wenigen Stellschrauben anders haben wollen,
"bloß" die Ausländer raus oder "bloß" den Euro abschaffen. Wer aber
eins und eins zusammenzählt, den aufkommenden Nationalismus, die
multiplen Krisen um Europa herum, die Ausbreitung neuer Diktatoren,
die immer hasserfülltere politische Kommunikation, die Ignoranz eines
Donald Trump oder die wachsende Ablehnung des Freihandels, wird nicht
leugnen können, dass die Welt ein sehr wackeliges Schiff geworden
ist. Am meisten Europa. Und mit ihm Deutschland. Ein Wahlsieg von Le
Pen in Frankreich kann reichen, um es zum Kippen zu bringen, ebenso
eine wirtschaftspolitische Idiotie des neuen amerikanischen
Präsidenten oder eine schlechte Großmachtidee Putins. Gaucks
Verteidigungsaufruf ist nicht der Angstschrei eines Elitären. Sondern
eher die Fassungslosigkeit eines Menschen, der sein Land und das
offene Europa gleich aus zwei Gründen ehrlich bewundert. Einmal als
ehemaliger DDR-Bürger, der selbst noch den Stalinismus und später den
"real existierenden" Sozialismus erlebt, erlitten und dann überwunden
hat. Gauck kann aus seiner eigenen Biografie heraus argumentieren,
und das gibt seiner Stimme Gewicht. Und dann hat er bei seinen Reisen
immer wieder erlebt, wie sehr diese Bundesrepublik Deutschland
überall in der Welt angesehen ist. Sie ist eines der reichsten,
stabilsten, sozialsten, sichersten, rechtsstaatlichsten und kulturell
vielfältigsten Länder der Welt, ein Sehnsuchtsort für Millionen. Nur
zu Hause sehen viele das nicht mehr. Es ist es wert, um dieses Land
zu kämpfen, das ist Gaucks Botschaft. In seiner letzten Rede hat er
wenige verschont mit Kritik und Ermahnungen. Nicht die Populisten,
die ihre Argumentation auf Lügen bauen, aber auch nicht die
etablierte Politik, die den kritischen Fragen allzu oft ausweicht. Er
hat von den Regierenden eine dauerhaftere Lösung der Flüchtlings- und
der Euro-Krise gefordert und eine klare Kante zu Neonazis wie zu
Islamisten gezogen. Er verlangt mehr innere Sicherheit für die
Bürger. Und mehr Engagement Deutschlands in der Welt. Die Rede war
unbequem. Am meisten für die, die den Kopf in den Sand stecken
möchten. Was von diesem elften Präsidenten der Bundesrepublik
Deutschland bleibt, wenn er demnächst aufhört? Sehr große Schuhe für
seinen Nachfolger.
Pressekontakt:
Lausitzer Rundschau
Telefon: 0355/481232
Fax: 0355/481275
politik(at)lr-online.de
Original-Content von: Lausitzer Rundschau, übermittelt durch news aktuell