(ots) - Keine Zeile wäre die Nachricht in normalen
Zeiten wert gewesen: Der Handelsausschuss des Europaparlaments hat
gestern das Freihandelsabkommen CETA mit Kanada gebilligt - 25
Abgeordnete stimmten dafür, 15 dagegen. Da die Zeiten alles andere
als normal sind, erhielt der Vorgang große mediale Aufmerksamkeit,
obwohl die entscheidende Abstimmung im Plenum erst im Februar
stattfinden wird. Für Konservative und Sozialisten, die größten
Parteien im Europaparlament, ist CETA ein positives Beispiel dafür,
wie Globalisierung sozialverträglich gestaltet werden kann. Zwischen
handelspolitischer Totalabschottung à la Trump und Le Pen und
sozialer Utopie à la Grüne und Linkspartei sehen sie sich als die
ausgleichenden Kräfte der Mitte, die Chancen weltweiten freien
Handels mit den nötigen rechtlichen Schutzmechanismen kombinieren.
Die Liberalen, die Freihandel ohne Wenn und Aber für eine gute Sache
halten, würden am Liebsten noch weiter gehen. Die EU solle den vom
neuen US-Präsidenten freiwillig geräumten Platz im Pazifikabkommen
TPP einnehmen, fordert der Abgeordnete Michael Theurer. Schließlich
verhandle die EU ja schon mit Australien, Neuseeland und Japan über
bilaterale Freihandelsabkommen. Warum dann nicht gleich Nägel mit
Köpfen machen und damit China zuvor kommen, das ebenfalls Interesse
angemeldet hat, dem TPP beizutreten? Die schlichte Antwort lautet:
Weil CETA - wenn es überhaupt alle Hürden nehmen kann - auf absehbare
Zeit das letzte Freihandelsabkommen sein dürfte, das in der EU
politisch durchsetzbar ist. Gegner des weltweit unbeschränkten
Handels haben nicht nur in den USA Trump an die Macht gebracht, sie
werden auch in Europa immer zahlreicher. Diese verwirrende, sich
immer schneller drehende Welt zu stoppen oder wenigstens zu bremsen,
scheint immer mehr Wählern ein verlockender Gedanke zu sein. Als nach
Deutschland weitgrößter EU-Staat spielt Frankreich eine
Schlüsselrolle bei der Frage, wie es mit Europa weitergeht. Da ist es
bezeichnend, dass keiner der drei Favoriten für die
Präsidentschaftswahl - Marine Le Pen, Francois Fillon und Benoit
Hamon - sich für freien Welthandel einsetzt. Im traditionell
weltoffenen Holland könnte Le Pens Seelenverwandter Geert Wilders bei
den Parlamentswahlen im März die meisten Stimmen holen. Und beim
Schmusekurs mit Wladimir Putin wissen Trump, Le Pen und Wilders auch
Fillon sowie Ungarns Premier Victor Orban an ihrer Seite. Eine
internationale Allianz derer, die nationalen Egoismus über alle
anderen Werte stellen, scheint ein Widerspruch in sich. Auch dass
Theresa May dem europäischen Bündnis rasch entkommen, aber
andererseits möglichst schnell neue internationale
Handelsverpflichtungen eingehen möchte, ist widersinnig. Die Wähler
scheint all das nicht zu stören. Sie wollen glauben, dass eine
Rückkehr in übersichtlichere, vermeintlich goldene Zeiten möglich
ist. Sollte die EU den postfaktischen oder parallelfaktischen
Versprechungen nicht ein beherztes Bekenntnis zu Weltoffenheit und
Freihandel entgegensetzen? Das wird schon daran scheitern, dass es
"die EU" nicht gibt und ihre Mitglieder sich nicht einig sind, wie
sie mit dem neuen US-Präsidenten und seiner protektionistischen
Haltung umgehen sollen. Allen, die weiter von der europäischen Idee
überzeugt sind, bleibt nur, auf den Abschreckungseffekt zu hoffen.
Der Brexit hat bereits viele zum Nachdenken darüber gebracht, ob ein
Alleingang in global vernetzten Zeiten nicht ein teuflisch riskantes
Unternehmen ist. Sollte Trump ein ähnlich hilfloses Bild abgeben wie
Theresa May, haben die europäische Einigung und das weltweite
Handeltreiben vielleicht schon bald wieder Konjunktur.
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