(firmenpresse) - Hamburg/Düsseldorf - "Noch nie waren die Wirtschaftseliten so orientierungslos wie heute. Sie versuchen, Konflikten mit Ökomoralisten durch Wegducken aus dem Weg zu gehen, und hofieren die Feinde der Marktwirtschaft", schrieben die Publizisten Dirk Maxeiner und Michael Miersch http://www.maxeiner-miersch.de in der Financial Times Deutschland (FTD). Sehr viele Manager würden sich in öffentlichen Debatten dem jeweiligen Zeitgeist anpassen und Konflikten aus dem Weg gehen. Der kritische Kommentar des Wiwo-Chefredakteurs Stefan Baron über das Spektakel in Davos ist dafür ein guter Beleg. Statt Managementfragen stehen beim Weltwirtschaftsforum politische Themen wie Klimawandel, Kinderarbeit, fairer Handel, Schuldenerlass oder der Kampf gegen Aids im Vordergrund. Soweit sie nicht hinter den Kulissen Geschäfte machten, üben sich viele Teilnehmer öffentlich immer mehr in einer Art Ablasshandel, beichten vor der Welt ihre geschäftsalltäglichen Sünden, demonstrieren Reue und geloben Besserung. "Sie predigen Beschwichtigung: Am besten, man verziert Führungsseminare mit Globalisierungsgegnern und lässt Ökoaktivisten in Geschäftsberichten schreiben. Am besten, man imitiert ihre Sprache, übernimmt - weichgespült - die Dogmen und stellt gemeinsam mit ihnen andere Industrien an den Pranger. So lässt sich womöglich ein moralischer Blumentopf gewinnen", so Maxeiner und Miersch.
Im Gefolge des Wertewandels der 70er und 80er Jahre entwickelte sich in den Top-Etagen der Wirtschaft übermächtig der Wunsch, auch mal zu den Guten zu gehören. Kapitalismus und Profit gehörten in PR-Broschüren schon seit längerem zu den schmutzigen Wörtern. Lieber möchte man sich als sozial-ökologische Bedenkenträger in die Herzen kuscheln. "Es sind ja gerade nicht Kapitalisten, die sich jedem Modetrend anpassen und um Beifall buhlen, sondern Führungskräfte auf Zeit, die sich mehr um ihr öffentliches Image kümmern, als um die Sorgen und Nöte ihres Unternehmens. Wenn es hart zur Sache geht, machen sich diese aalglatten Manager aus dem Staub und kassieren noch eine ordentliche Abfindung. In inhabergeführten Firmen sieht das anders aus", sagt Michael Müller, Wirtschaftssenator des Bundesverbandes mittelständische Wirtschaft (BVMW) und Geschäftsführer der a & o after sales & onsite services GmbH in Neuss.
Ausgewiesene Antikapitalisten und Globalisierungsgegner wie Viviane Forrester werden von Beifall heischenden Führungskräften umgarnt, auf dass endlich Friede, Freude, Eierkuchen herrsche. Wer gegen ‚Globalisierung’ und ‚Neoliberalismus’ polemisiere, landet fast zwangsläufig als "mahnende Stimme" auf dem Podium einer Bank oder in der Hauszeitschrift eines Pharmakonzerns.
"Während DaimlerChrysler-Chef Jürgen Schrempp von seinen Aktionären auf der Jahreshauptversammlung als grösster Kapitalvernichter seit Erfindung des Automobils beschimpft wurde, lagen vor der Tür Hochglanzbroschüren mit Titeln wie ‚Gemeinschaft gestalten, Brücken bauen, Dialoge führen’ aus. Schrempp will dem schönen Schrifttum zufolge die ‚Entfremdung gegenüber Globalisierungskritikern abbauen’. Eckehard Minx, Leiter des DaimlerChrysler-Thinktanks, betätigt sich derweil als Berufsutopist des Hauses. In einem Beitrag zum Jubiläum der ‚taz’ fordert er mehr ‚Mut zur Formulierung von Sozialutopien’ und zieht das ‚ökonomische Fortschrittsparadigma’ in Zweifel. Der fortschrittsfeindliche Mief, der sich selbst bei vielen gestandenen Linken allmählich verflüchtigt, ist dafür inzwischen im Management angekommen. Die Wirtschaftselite der Industriestaaten gefällt sich darin, den Geist ihrer Widersacher teils kritiklos zu assimilieren", führen Maxeiner und Miersch aus. Dabei seien die Perspektiven der Globalisierungsgegner und Ökoaktivisten schädlich für die Weltwirtschaft. "Sie laufen auf ein riesiges Armutsbeschaffungsprogramm hinaus", so der Einwand des britischen Kolumnisten Mark Steyn.
Wie so was gehe, demonstrierte der Sportartikelhersteller Reebok, der sogar einen Beauftragten für Menschenrechte hat - Doug Cahn handele wie ein eingefleischter Aktivist: "Im vergangenen Jahr hat er, um Kritikern vorsorglich den Wind aus den Segeln zu nehmen, einem Zulieferer in Thailand sämtliche Aufträge entzogen. Begründung: Die Arbeitszeit lag bei mehr als 72 Stunden in der Woche. Dabei war nicht von Belang, dass viele Angestellte mehr und nicht weniger arbeiten wollten. Es spielte auch keine Rolle, dass die Bezahlung besser als der Mindestlohn war, dass Sicherheits- und Gesundheitsstandards über dem Niveau lagen, das die lokalen Arbeitgeber normalerweise bieten. 400 Menschen verloren ihren Job", kritisiert die Wissenschaftsautoren Maxeiner und Miersch. Die zweifelhafte NGO-Ethik werde in den Händen von Managern und Bürokraten "zu einem gefährlichen Virus, einer tödlichen Massenvernichtungswaffe", schreibt der amerikanische Ökologe Paul Driessen. "Sie verhindert Fortschritt, drängt kleinere Anbieter aus dem Markt und begrenzt die ökonomischen Möglichkeiten."
Die Bevölkerung armer Entwicklungsländer werde immer mehr zur Geisel westlicher NGOs, die ihre Rückschrittlichkeit auch noch als moralisch höherwertig verkaufen. So wurde während der letzten Hungerkrise in Sambia und Simbabwe kein Hilfsgetreide aus Amerika verteilt, weil die Regierungen Angst hatten, die Bauern könnten das gentechnisch verbesserte Korn aussäen und damit ins Visier der NGOs geraten. Mit Vitamin A angereicherter Reis, der viele Kinder vor schweren Mangelerscheinungen retten könnte, soll nach dem Willen westlicher Gentechnikgegner ebenso verhindert werden wie schädlingsresistente Baumwolle, die bei Kleinbauern in Südafrika, China und Indien äusserst beliebt ist. "Mahnen und Warnen, Moralisieren, Boykottieren, Verhindern und Verteufeln sind längst wichtige Kursfaktoren. Die NGOs sind aber längst kein David mehr, der einem übermächtigen Konzern-Goliath gegenübersteht", bemerken Maxeiner und Miersch. Die grossen Beratungsfirmen wie PricewaterhouseCoopers empfehlen Unternehmen, bei moralischen Anfechtungen grundsätzlich auf Gegenwehr zu verzichten und sofort die weisse Flagge zu hissen: Selbst bei falschen Anschuldigungen sei es zumeist sinnvoll, Verantwortung zu übernehmen oder sie zumindest nicht von sich zu weisen. Dies befolgte Coca-Cola bei einem Skandal um angeblich verseuchte Brause in Belgien, der sich später als Fehlalarm herausstellte. Die Firma hatte sich nichts zu Schulden kommen lassen - und entschuldigte sich dennoch.