(ots) - Erst Erdogan, nun Kaczynski: Bundeskanzlerin
Angela Merkel absolviert am Dienstag die zweite heikle Auslandsreise
innerhalb einer Woche. Dabei trifft sie in Polen zwar keinen
Möchtegern-Sultan mit Ambitionen auf der weltpolitischen Bühne. Aber
im kleineren Format ist Jaroslaw Kaczynski, der übermächtige
Vorsitzende der allein regierenden PiS-Partei, kaum weniger
machthungrig und auf Krawall gebürstet als der türkische Präsident.
In gewisser Weise ist Kaczynski sogar problematischer für die
deutsche Außenpolitik als Erdogan oder der Russe Wladimir Putin, denn
als EU-Mitglied kann Polen im Streit viel schneller Wirkungstreffer
erzielen als die diversen Herausforderer von außen. Außerdem hat der
Rechtsnationalist und bekennende Deutschland-Verächter Kaczynski zwar
kein Regierungsamt inne. Aber er hat das Sagen in Warschau. Das macht
ihn unberechenbar und schwerer greifbar. Merkel täte vor diesem
Hintergrund gut daran, mit Kaczynski tatsächlich Tacheles zu reden,
wie es der Pole seinerseits angekündigt hat. Es bringt nichts, den
PiS-Chef umwerben zu wollen. Er ist schlicht nicht der Typ Mensch,
der für Zuckerbrot zu haben wäre. Das wiederum heißt nicht, dass
Merkel, um im Bilde zu bleiben, Kaczynski mit der Peitsche zu Leibe
rücken sollte. Am wirkungsvollsten dürfte es sein, mit dem Polen die
nationalen Interessen der beiden Länder im Herzen Europas
durchzudeklinieren. Deutschland braucht seinen Nachbarn nicht nur als
starken Wirtschaftspartner, sondern auch als mächtigsten Staat im
Osten der EU. Wer die Gemeinschaft nach dem Brexit zusammenhalten
will, kommt an Polen nicht vorbei. Umgekehrt ist die Regierung in
Warschau nicht nur auf die Finanzhilfen aus Brüssel angewiesen,
sondern angesichts der latenten Bedrohung durch Russland auch auf
sicherheitspolitische und im Zweifel militärische Unterstützung aus
dem Westen. In diesem Sinn dürfte der Amtsantritt von US-Präsident
Donald Trump, der die Nato für obsolet erklärt hat, Polen eher enger
an Deutschland schweißen, obwohl Kaczynski in manchen ideologischen
Fragen (Migration, Frauen- und Minderheitenrechte etc.), mit Trump
durchaus auf einer Linie liegt. Aber bei der obsoleten Nato hört auch
für Kaczynski der Spaß auf - genauso übrigens, wie der Spaß für
Merkel beim andauernden Demokratieabbau à la Kaczynski aufhören
sollte.
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