(ots) - Die Debatte über größere
Verteidigungsanstrengungen treibt seltsame Blüten. Teile der Union,
aber auch der Reservistenverband haben jetzt sogar die Wehrpflicht
wieder entdeckt. Der Vorstoß passt scheinbar bestens zu der von
Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen gerade angekündigten
Personalaufstockung in der Truppe. Fast 200 000 Bundeswehrsoldaten
soll es demnach bis zum Jahr 2024 geben, 30 000 mehr als jetzt. Das
muss auch ohne Wehrpflicht gelingen. Alles andere wäre höchst
problematisch. Als die Wehrpflicht vor sechs Jahren ausgesetzt wurde,
geschah das vor allem wegen der schreienden Wehrungerechtigkeit. Aus
Kostengründen war die Truppe immer wieder verkleinert worden. Um
trotzdem optisch aufrechtzuerhalten, was immer absurder zu werden
drohte, kannte die politische Kreativität kaum noch Grenzen. Bei der
Musterung genügte praktisch schon eine Zahnspange oder Brille, um der
Einberufung zu entgehen. Auch Verheiratete waren irgendwann außen
vor. Zudem wurde das maximale Einberufungsalter im Grundsatz auf 23
Jahre begrenzt. Durch solche Tricks galt dann nur noch der Bruchteil
eines Männer-Jahrgangs als "wehrdiensttauglich". Die Masse junger
potenzieller Rekruten sah die Kaserne nur von außen. Auch bei einer
200 000-Mann-Armee wäre es um die Wehrgerechtigkeit mehr schlecht als
recht bestellt. Ganz abgesehen davon, dass man für Musterung und
Grundwehrdienst erst wieder Strukturen schaffen müsste. Ein weiterer
Umstand, der gegen die Wiederbelebung der Wehrpflicht spricht, ist
der Mangel an einer schlüssigen militärpolitischen Begründung. Die
Wehrpflicht war immer auf die Landesverteidigung fokussiert. Das
scheinen manche schon vergessen zu haben. Auch wenn es mit dem
Frieden in der Welt wahrlich nicht zum Besten steht, so fehlt doch
gottlob ein potenzieller Aggressor, der Deutschlands Grenzen bedrohen
könnte. Das gilt zweifellos auch für Russland. Sicher hat Deutschland
eine wachsende internationale Verantwortung. Dazu bedurfte es keiner
Erinnerung aus den USA wie kürzlich bei der Münchner
Sicherheitskonferenz geschehen. Der Wehretat von der Leyens sah
nämlich auch schon vorher deutliche Steigerungen vor. Die
eigentlichen Herausforderungen sind der internationale Terrorismus
und regionale Brandherde, die zu einer starken Flüchtlingswelle
geführt haben. Für Bundeswehreinsätze im Ausland braucht es
allerdings professionelles Personal und keine Amateure. Und gegen
Cyber-Attacken helfen nur Computer-Spezialisten. Die Bundeswehr muss
hier um die besten Köpfe werben und dabei gegen die Konkurrenz der
Wirtschaft bestehen. Hier ist tatsächlich mehr Geld notwendig. Für
eine attraktive Entlohnung. Für eine gute militärische Ausrüstung.
Aber nicht für die Wiedereinführung der Wehrpflicht.
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