(ots) - Die SPD berauscht sich in diesen Wochen an sich
selbst. Mit märchenhaften 100 Prozent ist Martin Schulz zum neuen
SPD-Chef gewählt worden. Welch eine Bestätigung! Welch eine
Verantwortung!
Wie ungewöhnlich dieses Ergebnis ist, zeigt ein Blick in die
Geschichte. Nicht einmal die legendären Parteivorsitzenden Kurt
Schumacher und Willy Brandt erreichten diese Marke. Insofern hat sich
Martin Schulz schon jetzt einen Platz im Geschichtsbuch gesichert. Ob
dieser Eintrag eine Fußnote bleibt oder ob Schulz ein großes Kapitel
gewidmet wird, entscheidet sich am 24. September: Wenn es ihm
tatsächlich gelingen sollte, seine noch vor kurzem am Boden liegende
Partei bei der Bundestagswahl zur stärksten Kraft zu machen, dann hat
er wahrlich ein politisches Wunder vollbracht.
Die erste Voraussetzung für dieses Wunder hat Schulz erfüllt. Er
hat die zagende SPD in eine Euphorie versetzt, die fast an die Zeiten
Willy Brandts erinnert und die Außenstehende ungläubig staunend
betrachten. Die Partei hat "Blut geleckt" und zeigt genau den
Machtwillen, der jahrelang völlig fehlte und den es zum Wahlsieg
unbedingt braucht. Ob es Schulz aber auch gelingt, das Wahlvolk
hinter sich zu bringen, muss sich noch zeigen. Die jüngsten Umfragen
werden ihn beflügeln.
Denn Schulz hat ein Thema, das Partei und Bürger gleichermaßen
umtreibt: Gerechtigkeit. Die SPD hat wieder einen Traum - jenseits
des kalten Markt-Pragmatismus. Und auch viele Bürger, so scheint es,
möchten die Welt, möchten Deutschland, gerechter haben. Soll das
Thema bis zur Wahl tragen, müssen Partei und Kandidat den abstrakten
Begriff nun mit konkretem Inhalt füllen. Martin Schulz und die SPD
müssen sich trauen, sie müssen liefern. Und sie müssen sich wappnen
gegen ein neoliberales Gewitter, das vor der Wahl mit Macht über sie
hereinbrechen wird.
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