(ots) - Die mit Tüchern abgedeckten Leichen von
Generalbundesanwalt Siegfried Buback und seinem Chauffeur, das Drama
um die entführte Lufthansa-Maschine Landshut, die Ermordung von
Generalbundesanwalt Hanns-Martin Schleyer: Diese Ereignisse haben
sich ins kollektive Gedächtnis der Nation eingebrannt. Das Terrorjahr
1977 hielt die Republik in Atem. Doch im Vergleich zur Situation
heute war der Deutsche Herbst - so verabscheuungswürdig die Gewalt
auch war - geradezu überschaubar. Der Terrorismus hat mit dem
Auftreten islamistischer Attentäter eine neue Qualität bekommen. Beim
Rückblick auf die Ereignisse vor 40 Jahren lohnt ein Vergleich
zwischen der RAF und den IS-Terroristen - aber auch mit der
Nazi-Mörderbande des NSU. Denn die Erkenntnisse daraus sind
alarmierend. Alle drei Gruppierungen haben einiges gemeinsam: das
Wertesystem der westlichen Staaten als Feindbild. Eine mörderische
Menschenverachtung. Gewalt als Mittel zur Durchsetzung der Ziele -
sowie Unterstützer, damit die Terrorzellen unentdeckt operieren
können. Doch aufschlussreicher als diese Gemeinsamkeiten sind die
Unterschiede. Die RAF griff gezielt die Repräsentanten des Staates
und des kapitalistischen Systems an. Die Zwickauer Terrorzelle
ermordete arme Einwanderer. Die Islamisten dagegen attackieren unsere
Metropolen. Sie suchen sich ihre Opfer willkürlich aus, um Angst und
Schrecken zu verbreiten. Was 2001 in New York begann, setzte sich in
schrecklicher Regelmäßigkeit in Madrid, London und Paris fort. Im
vergangenen Jahr traf der Terror schließlich den Weihnachtsmarkt auf
dem Berliner Breitscheidplatz - mit einem Lastwagen als Waffe. Doch
nicht nur bei der Wahl der Opfer werden die Unterschiede deutlich:
Die RAF hatte zu ihren Hochzeiten höchstens zwei Dutzend Akteure aus
dem sogenannten harten Kern. Der NSU bestand aus einem Trio mit einer
unbekannten Zahl von Helfern. Demgegenüber werden bundesweit über
1000 Personen aus dem Dunstkreis der Islamisten von den
Sicherheitsbehörden als Gefährder eingestuft, denen man einen
Anschlag zutraut. Auch in den 70er- und 80er Jahren war Europa keine
Insel des Friedens. Was für die Bundesrepublik die RAF war,
erledigten in Italien die Roten Brigaden, in Spanien die ETA oder in
Nordirland die IRA - mit einer Vielzahl von Toten. Damals war der
Terror jedoch nicht länderübergreifend. Er verlief innerhalb der
staatlichen Grenzen. Hier sei daran erinnert, dass der bis dahin
schwerste Anschlag in der bundesdeutschen Geschichte auf das Konto
eines oder mehrerer Rechtsradikaler geht: Das Attentat auf das
Münchner Oktoberfest 1980, bei dem eine Bombe 13 Menschen tötete. In
den 90er Jahren folgte eine Serie fremdenfeindlicher Anschläge mit
rechtsradikalem Hintergrund: Solingen, Mölln, Hoyerswerda, Schwandorf
- ehe der NSU auf den Plan trat. Auch bei der Art und Weise, wie der
Staat den unterschiedlichen Terrorgruppierungen entgegentritt, zeigen
sich Unterschiede. Bei der Jagd auf die RAF in den 70er Jahren zog
die Bundesregierung sämtliche Register. Beim Bundeskriminalamt wurde
eine eigene Einheit zur Terrorismusbekämpfung aufgebaut. Die
Aufklärung der NSU-Morde liest sich dagegen wie die Liste eines
langen Behördenversagens. Dasselbe gilt für die Fahndungspannen im
Fall des Berliner Attentäters Anis Amri. Sein Fall macht deutlich,
wie perfide der IS seinen weltweiten Vernichtungsfeldzug betreibt.
Die Ideologen des Kalifats wollen möglichst viele Ungläubige
umbringen. Der IS agiert als globale Terrororganisation und versucht,
Gehirnwäsche inklusive, Sympathisanten über Soziale Netzwerke zu
Anschlägen aufzustacheln - und sei es mit einem Auto oder
Küchenmesser als Waffe. Selbst wenn die Behörden die richtigen Lehren
aus ihren Fehlern ziehen, verheißen die Hassaufrufe und die neue Art
der Gewalt vor allem eines: Wir stehen gerade am Anfang einer Ära des
Terrors.
Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten(at)mittelbayerische.de
Original-Content von: Mittelbayerische Zeitung, übermittelt durch news aktuell