PresseKat - Mittelbayerische Zeitung: "Mittelbayerische Zeitung" zu "Terror":

Mittelbayerische Zeitung: "Mittelbayerische Zeitung" zu "Terror":

ID: 1480351

(ots) - Ostern ist ein wertvoller Moment des Jahres.
Die Feiertage ermöglichen hierzulande den meisten Menschen - Christen
wie Nicht-Christen - den Luxus einer Atempause. Ein paar Tage zu sich
kommen, Zeit mit den wichtigsten Mitmenschen verbringen - und ein
bisschen gelassener auf die Welt blicken. Gelassenheit: Ist das
überhaupt angebracht, angesichts der Terrorgefahr in Europa? Kann man
gelassen sein, wenn man an die Toten von Berlin, Istanbul und London,
von Sankt Petersburg und Stockholm denkt? Ist Gelassenheit nicht dumm
und naiv, zynisch und gefühllos? Nein. Im Gegenteil: Gelassenheit ist
eine der schärfsten Waffen gegen den Terror, gegen seine mörderische
Kraft und gegen das Gift, das er in die Gesellschaft tragen soll.
Wenn Bürger gelassen bleiben, wenn sie ihr Leben weiterleben wie
bisher, dann durchkreuzen sie den Plan der Terroristen. Wenn sie mit
Nächstenliebe und Offenheit reagieren statt mit Misstrauen und
Abweisung, dann wehren sie den Hass ab, den die Fundamentalisten und
Extremisten in die Mitte der Gesellschaft tragen. Wenn sie sich viel
mehr um die Opfer und ihre Angehörigen kümmern als um die Täter, dann
zeigen sie, dass Mitgefühl und Solidarität über Gewalt siegen können.
Gelassen können die Bürger freilich nur dann reagieren, wenn die
Politik die richtige Antwort auf den Terror findet. Wenn die
Regierenden mit kühlem Kopf handeln statt mit Generalverdacht und
Aktionismus. Wenn der Staat stark bleibt, bei der Repression wie bei
der Prävention des Terrorismus. Repression, das heißt: die giftigen
Triebe zerstören, die der Terror sprießen lässt. Das bedeutet
intelligente Polizei- und Geheimdienstarbeit. Nicht reflexartige
Forderungen nach härteren Gesetzen, sondern genug gut ausgebildete
Polizisten, Staatsanwälte und Richter , die die bestehenden Gesetze
anwenden können. Prävention, das heißt: die Wurzeln des Terrors




kappen. Das bedeutet Integration, Sozialarbeit, Aufklärung gegen
Radikalisierung in Europa. Und das bedeutet harte diplomatische
Arbeit, um die Brandherde rund um Europa zu löschen, in Syrien, im
Irak, im Jemen. Das muss der Staat leisten, damit die Menschen
gelassen bleiben können. Die Bürger sollten Politik und Verwaltung,
Polizei und Justiz dabei kritisch auf die Finger schauen. Aber gerade
in Deutschland hat der Staat auch ein gewisses Grundvertrauen
verdient. Deutschland ist, bei allen Problemen, eines der sichersten
Länder der Welt. Das liegt auch an einem funktionsfähigen, wachsamen,
wehrhaften Allgemeinwesen. Mit Freiheiten, Rechten und einem Maß an
Sicherheit, auf das Menschen in Moskau wie in Mexiko-Stadt, in Rio de
Janeiro wie in Teheran mit sehnsüchtiger Bewunderung blicken.
Gelassenheit gegenüber dem Terror ist auch wichtig, weil sie Hoffnung
gibt. Gelassenheit schärft den Blick für die Fakten. Wer nicht
hysterisch auf jeden Anschlag reagiert, der sieht, dass die Welt
heute nicht verrückter ist als früher. Der sieht, dass Terror, auch
international vernetzter, keine Neuheit ist in Europa. Die
palästinensischen Fanatiker, die vor 40 Jahren die Lufthansa-Maschine
"Landshut" entführten, wollten damit deutsche RAF-Terroristen
freipressen. Die italienischen Neofaschisten, die 1980 den
Hauptbahnhof von Bologna sprengten und 85 Menschen ermordeten, hatten
mutmaßlich Verbindungen zu Hintermännern des Oktoberfest-Attentats in
München im selben Jahr. Wer gelassen auf das Heute und das Gestern
blickt, der sieht, dass der Kampf gegen den Terror erfolgreich war,
wenn die Macht der Friedenswilligen am Ende größer war als die
Mordlust der Fanatiker. So konnten kluge Politiker und gelassene
Bürger jahrzehntelange blutige Konflikte beenden. Es hat im
Baskenland funktioniert - wo die Terroristen der ETA kürzlich ihre
letzten Waffenverstecke verraten haben, auf Korsika und in
Nordirland. Und Südtirol, in dem noch in den 1970er Jahren Menschen
bei politisch motivierten Sprengstoffattacken starben, gilt heute als
Inbegriff alpiner Idylle. Dass eines Tages Syrien und der Irak
ähnlich friedlich sein können, wirkt heute wie eine naive
Traumvorstellung. Aber auch solche Träume können eine Waffe gegen den
Terror sein. Wenn nur genug Menschen sie träumen.



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Datum: 14.04.2017 - 19:21 Uhr
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