(ots) - Politik muss geistiges Eigentum stärker schützen,
Presse- und Meinungsfreiheit verteidigen / "Facebook-Gesetz" stoppen
"Die Zeitschriftenverlage erwarten für 2017 eine stabile
Geschäftsentwicklung. Die Verlage stehen beim digitalen Wandel mitten
auf dem Spielfeld, bringen starke neue Zeitschriften und
Digitalprodukte auf den Markt", sagte VDZ-Hauptgeschäftsführer
Stephan Scherzer auf der VDZ-Jahrespressekonferenz. "Im Jahr der
Bundestagswahl ist es zentral, dass insbesondere das geistige
Eigentum, Presse- und Meinungsfreiheit gestärkt werden und kein
Panikgesetz für soziale Netzwerke durchgepeitscht wird."
Die deutschen Zeitschriftenverlage erwirtschafteten im
Geschäftsjahr 2016 einen Branchenumsatz in Höhe von 14,8 Milliarden
Euro (2015: 14,7 Milliarden Euro) und beschäftigten rund 60.000
Mitarbeiter. Auch für 2017 wird laut der aktuellen VDZ-Trendumfrage,
die auf der Pressekonferenz in Berlin exklusiv vorgestellt wurde,
eine stabile Geschäftsentwicklung erwartet. Neben dem Wachstum im
Digitalgeschäft von elf Prozent planen die Verlagsmanager für 2017
auch im sonstigen Geschäft wie Konferenzen und Datenbank-Services mit
einem Plus von sieben Prozent ein Umsatzwachstum. Im Vertrieb
erwarten die Befragten einen leichten Rückgang von 1,6 Prozent und im
Anzeigengeschäft ein Minus von 1,9 Prozent. "Die Zeitschriftenverlage
bieten mit ihren Medien-Marken gerade im Vergleich zu den sozialen
Netzwerken, YouTube und Co. ein vertrauenswürdiges Umfeld für Leser
und für nachhaltige Werbung", sagte Stephan Scherzer. "Im Unterschied
zu den sozialen Netzwerken steht Editorial Media in Print, Web und
Mobil für geprüften redaktionellen Inhalt und nachvollziehbare
Kampagnen-Platzierung. Zeitschriften kennen auch keinen Second
Screen. Bezahlter Inhalt und uneingeschränkte Aufmerksamkeit,
Zeitschriften haben die härteste Medienwährung, die es gibt."
Der VDZ formulierte mit Blick auf die Bundestagswahl die
grundsätzliche Erwartung der Zeitschriftenverleger an die Politik.
Statt Verschlechterung der publizistischen und wirtschaftlichen
Rahmenbedingungen gedruckter wie digitaler Presse, etwa durch neue
Schranken im Urheberrecht, müsse es um deren Verbesserung in allen
relevanten Bereichen gehen.
Der VDZ hat schon frühzeitig auf die Gefahren für Presse- und
Meinungsfreiheit durch das geplante Netzwerkdurchsetzungsgesetz
hingewiesen. "Der konkrete Gesetzentwurf, private
Internet-Unternehmen dazu zu zwingen, an Stelle der Strafgerichte
über die Grenzen der Meinungsfreiheit zu entscheiden, birgt eine
äußerst große Gefahr für die Presse- und Meinungsfreiheit", so
Stephan Scherzer. So gut das Netzwerkdurchsetzungsgesetz gemeint sein
mag, so sicher wird es die Meinungs- und Pressefreiheit in
Deutschland schwächen. Facebook kann weder rechtlich noch faktisch
ein Gerichtsverfahren ersetzen und muss, um das Risiko von
Millionenbußen abzuwenden, schon bei bloßem Strafbarkeitsverdacht
löschen. Das bedeutet zwangsläufig die in aller Regel geheim
bleibende Löschung ungezählter rechtmäßiger Äußerungen. Dabei erfasst
das Gesetz schon jetzt auch Presseartikel auf sozialen Netzwerken.
Und es wird Begehrlichkeiten wecken, die dann einmal eingeführte
privatisierte Inhaltskontrolle über die sozialen Netzwerke hinaus
auch auf digitale Presseangebote zu erstrecken. "Es kann nicht sein,
dass der Staat seine Hoheit auf Rechtsdurchsetzung ruhen lässt, um
mit Facebook den größten Inhalteraum der Erde auch zum größten Zensor
zu machen", führte Scherzer aus. "Statt eines unausgegorenen
Gesetzes, das vor der Wahl durch den Bundestag getrieben werden soll,
müssen alle gesellschaftlich interessierten Kräfte an der
konsequenten Durchsetzung geltenden Rechts arbeiten."
Der VDZ stellt einen 5-Punkte-Plan vor:
1. Geltendes Recht muss umgesetzt werden - das
Netzwerkdurchsetzungsgesetz ist unnötig.
2. Bund und Länder müssen die Strafverfolgungsorgane (Polizei,
Staatsanwaltschaften, Gerichte) so ausstatten und unterstützen,
dass sie zügig geltendes Recht in den sozialen Netzwerken
durchsetzen können.
3. Facebook muss eigene Ressourcen aufbauen und 24/7 erreichbar
sein, um geltendes Recht nach Aufforderung zeitnah umzusetzen.
4. Die Bürger müssen aufgeklärt und ermutigt werden, bei
strafrechtlich relevanten Tatbeständen die
Strafverfolgungsbehörden einzuschalten.
5. Es geht nicht nur darum, rechtswidrige Veröffentlichungen zu
bekämpfen. Umgekehrt muss auch verhindert werden, dass
Quasi-Monopolisten wie Facebook nach eigenem Gutdünken
bestimmte rechtmäßige Inhalte nicht veröffentlichen. Deshalb
müssen solche marktbeherrschenden Plattformen allen
rechtmäßigen Inhalten diskriminierungsfreien Zugang
gewährleisten.
Scherzer warb auch dafür, die Menschen an einen sprachlich
respektvolleren Umgang im Netz zu erinnern in dem Sinne: "Denke bei
dem, was Du schreibst daran, der nächste Shitstorm könnte Dich
treffen." Hasskommentare führen zu einer sprachlichen Verrohung, die
für eine freie Gesellschaft nur abträglich ist. Zugespitzte
Kommentare gehören zum Meinungskampf - Hass führt zu einer
ungebremsten Eskalation.
Presse- und Meinungsfreiheit sei in Europa und auch weltweit immer
stärker unter Druck, so Scherzer. Die politischen Angriffe auf
Journalisten und Verlage nähmen zu, besonders dramatisch in der
Türkei, in der heute über 150 Journalisten inhaftiert seien. Es sei
unerträglich, dass dort Journalisten, die professionell ihre Arbeit
machen, als Terroristen diffamiert würden und keine faire
rechtstaatliche Behandlung erfahren. Scherzer forderte die
Freilassung des Welt-Journalisten Deniz Yücel sowie aller in der
Türkei zu Unrecht inhaftierten Journalisten.
Fehlende Rechtspositionen im Digitalen machen die Finanzierung der
digitalen Presse ausgesprochen schwierig. Ungeschminkter und
rücksichtloser denn je bedienen sich die großen
Technologie-Plattformen fremden geistigen Eigentums. Angebote
vermeintlicher Kooperation wie Instant Articles erweisen sich als
einseitige und wenig partnerschaftliche Lösungen. Scherzer betonte,
die Politik müsse den Schutz geistigen Eigentums und die Leistung der
Verlage für eine vielfältige und vitale Presselandschaft ernst
nehmen. "Die Presseverleger müssen als Rechteinhaber im
EU-Urheberrecht anerkannt werden. Die Vermarktungshoheit der Verlage
über ihre journalistischen Produkte ist existenziell für eine
unabhängige, digitale Pressefinanzierung", so Scherzer. Deshalb sei
die Einführung eines Presseverlegerrechts im EU-Urheberrecht dringend
geboten. Andere Branchen wie Musik und Film hätten diese Rechte schon
lange. In diesem Zusammenhang macht der VDZ deutlich, dass es keine
neuen, extrem weitgehenden Urheberrechtsschranken geben dürfe. Die in
Brüssel und Berlin diskutierten Schranken, insbesondere beim Text-
und Datenschürfen, e-lending und digitalem Unterricht, sollen
vielfach eine Enteignung der Verlage an die Stelle von Lizenzen und
Lizenzerlösen setzen.
Der VDZ forderte die Einführung des reduzierten
Mehrwertsteuersatzes für die digitale Presse. Dieser seit Jahren
überfällige Schritt sei ein wichtiger Beitrag zum Erhalt der
Wettbewerbsfähigkeit der Freien Presse. Die EU-Finanzminister könnten
schon im Mai die Erstreckung auf digitale Zeitschriften und Zeitungen
beschließen. Dann ist der Bundestag gefragt, diese Chance zügig im
deutschen Steuerrecht umzusetzen. Ãœber 90 Prozent der befragten
Verlage halten es für erforderlich, den Mehrwertsteuersatz für
digitale, journalistische Angebote analog zu Print auf sieben Prozent
zu reduzieren.
Scherzer kritisierte den Expansionsdrang der
öffentlich-rechtlichen Sender und warnte vor einer weiteren
Ausdehnung des Auftrags. Diese seien schon lange nicht mehr nur
Rundfunk, sondern immer mehr Fullservice-Medien-Anbieter. Sollten die
Bundesländer dem Drängen der Rundfunkanstalten nachgeben, müsse das
Verbot presseähnlicher Angebote von ARD und ZDF dringend erhalten
werden. Er verwies auf die VDZ-Umfrage, wonach rund zwei Drittel der
befragten Verlage die digitalen Angebote der öffentlich-rechtlichen
Anstalten als Wettbewerbsverzerrung kritisierten, weil sie durch
ihren Inhalt und ihr Auftreten direkt mit denen der Verlage
konkurrierten und Paid-Content-Strategien der privat finanzierten
Presse im Netz enorm erschwerten.
Gerade in der Digitalisierung ist die gedruckte Zeitschrift ein
zentrales Geschäftsfeld für die Branche. "Beim Aufbau von Communities
spielt Print eine zentrale Rolle als vertrauensvoller Anker der
Marken", erklärte Stephan Scherzer. Fast zwei Drittel der
Zeitschriftenverlage (62 Prozent) gaben in der Trend-Umfrage an, im
laufenden Jahr neue Magazine auf den Markt bringen zu wollen. Von
diesen Verlagen launchen 50 Prozent periodische Titel, 79 Prozent
planen neue Sonderausgaben und Specials. "Die Verlage schaffen es,
mit innovativen, kreativen Konzepten die Bedürfnisse und Interessen
von gut definierten Zielgruppen zu befriedigen", erklärte Stephan
Scherzer. Zum Ende des ersten Quartals 2017 gab es in Deutschland,
dem Wissenschaftlichen Institut für Presseforschung und
Medienberatung aus Köln zufolge, insgesamt 1.596 mindestens
quartalsweise erscheinende Publikumszeitschriften. 2016 brachten die
Verlage 87 neue Magazine auf den Markt, 53 wurden eingestellt.
Innerhalb des ersten Quartals 2017 launchten die Zeitschriftenverlage
bereits 18 Titel.
Sehr erfreulich haben sich die über 4.000 Titel der B2B-Medien der
Deutschen Fachpresse entwickelt. Deutschland hat den vielfältigsten
B2B-Fachmedienmarkt weltweit und dieser entwickelt sich gut. Das
große Vertrauen der Entscheider und die 360-Grad-Vermarktung in
perfekt definierten Zielgruppen führen zu einem Wachstum von 1,5
Prozent, erläuterte Stephan Scherzer. "Die Fachpresse wächst seit der
Lehmann-Krise im Jahr 2009 kontinuierlich, erweitert die
Zielgruppenansprache und findet innovative Lösungen für Leser und
Werbungtreibende in Zeiten der Digitalisierung." Fachmedien zeigten
viele Lösungswege für den zeitgemäßen Umgang mit Lesern und
Zielgruppen auf.
Treiber für die Entwicklung dieser Fan-Communities ist der
digitale Wandel. "Das stetige Wachstum des Digitalgeschäfts zeigt,
dass die Zeitschriften-Branche im aktuellen Transformationsprozess
richtige, zukunftsträchtige Entscheidungen trifft", argumentierte
Stephan Scherzer. Für das Jahr 2017 rechnen die Verlagshäuser im
Digitalgeschäft im Schnitt mit einem Umsatzwachstum von gut elf
Prozent. Damit erhöht sich der für 2017 erwartete Umsatzanteil des
gesamten Digitalgeschäfts am Gesamtumsatz auf 20 Prozent
(Vorjahresprognose für 2016: 18 Prozent).
"Ein entscheidender Motor für das Digitalgeschäft ist die
Omnipräsenz von Mobile", begründete Stephan Scherzer. "Die Reichweite
des mobilen Internets holt gegenüber derjenigen des stationären
Internets in allen Altersgruppen mit Riesenschritten auf - bei den
14- bis 29-Jährigen dominiert bereits die mobile Nutzung." Von den
klassischen Mediengattungen erzielen Publikumszeitschriften mit ihren
Mobile Enabled Websites und Apps eine Reichweite von 65 Prozent (AGOF
digital facts 2016-IV). Das sind 28 Millionen Mobile User. Damit
liegen die Publikumszeitschriften nach wie vor unangefochten an der
Spitze, gefolgt von Tageszeitungen (58 Prozent), TV (32 Prozent) und
Radio (acht Prozent). Bei den Online-Angeboten liegen die
Publikumszeitschriften mit einer Reichweite von 71 Prozent (38
Millionen Online User) ebenfalls mit großem Vorsprung auf Platz eins
- vor Tageszeitungen (60 Prozent), TV (47 Prozent) und Radio (elf
Prozent).
Auch die Umsatzerwartungen der Zeitschriftenverlage für das
kommende Jahr zeigen, dass sich das Digitalgeschäft zu einer
tragenden Geschäftssäule entwickelt hat. Im klassischen Geschäft
erwarten drei Viertel der Verlagsmanager (74 Prozent) steigende
Umsätze bei Online-Angeboten, gefolgt von Mobile- (52 Prozent) und
Paid-Content-Angeboten (50 Prozent) sowie Sonderausgaben und Specials
der Zeitschriften (38 Prozent). Rund ein Fünftel der Verlage wird
darüber hinaus neue periodische Titel auf den Markt bringen. Bei den
neuen Erlösquellen gehen knapp zwei Drittel (62 Prozent) der
Befragten von einem Umsatz-Plus im Geschäft mit
Diversifikationsprodukten wie E-Commerce und Datenbank-Services aus.
Ebenfalls steigende Umsätze kalkulieren die Verlagsmanager in den
Bereichen Content-Marketing-Dienstleistungen (52 Prozent),
Lead-Generierung (43 Prozent) und Native Advertising (35 Prozent).
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