(ots) - Der Berg kreißte und gebar: ein
Vertragsverletzungsverfahren. Wieder einmal hat sich die
EU-Kommission nicht dazu durchringen können, dem ungarischen
Ministerpräsidenten Viktor Orbán wenigstens die Gelbe Karte zu zeigen
und zugleich ein Rechtsstaatsverfahren einzuleiten. Warum eigentlich
ist im Fall Ungarn nach sieben Jahren Orbán-Autokratie nicht möglich,
was im Falle Polens nach nur sieben Wochen rechtsautoritärer
PiS-Regierung möglich war? Im konkreten Brüsseler Beschluss geht es
um das neue ungarische Hochschulgesetz, das gegen EU-Recht verstoße.
Orbáns Kritiker sehen in dem Gesetz den Versuch, die renommierte
Budapester Central European University (CEU) des liberalen
US-Milliardärs George Soros zur Aufgabe zu zwingen. Ein mehrstufiges
und mutmaßlich mehrjähriges Vertragsverletzungsverfahren wird die CEU
kaum retten. In dieser Lesart ist das Hochschulgesetz zugleich ein
Frontalangriff auf die Freiheit der Wissenschaften. Es reiht sich
damit in die antidemokratische Politik des ungarischen
Regierungschefs ein, der sich die Schaffung eines illiberalen Staates
auf die Fahnen geschrieben hat und entsprechend handelt. Orbán hat
die Unabhängigkeit von Medien, Justiz und Parlament teilweise
drastisch eingeschränkt und zuletzt das Asylrecht geschleift. Die EU
aber schreckt geradezu panisch vor einer Konfrontation mit dem
Demokratiefeind Orbán zurück. Das hat diverse Gründe. So können sich
Polen und Ungarn per Veto gegenseitig vor Sanktionen in einem
Rechtsstaatsverfahren schützen, das dadurch seine Durchschlagskraft
verliert. Der entscheidende Punkt aber ist parteitaktischer Natur.
Orbáns Fidesz gehört der christlich-konservativen EVP-Fraktion im
Europaparlament an. Die EVP aber stellt nicht nur in Donald Tusk den
Ratspräsidenten, in Jean-Claude-Juncker den Kommissionschef und in
Antonio Tajani den Parlamentspräsidenten. Auch die mächtigste
Regierungschefin in Europa, Bundeskanzlerin Angela Merkel, ist mit
ihrer CDU in der EVP verankert. Es ist deshalb allerhöchste Zeit,
dass die EVP ihr Verhältnis zu Orbáns Fidesz nicht nur überdenkt,
sondern parteiintern handelt. EVP-Fraktionschef Manfred Weber (CSU)
hat zuletzt immerhin eine imaginäre "rote Linie für Orbán" gezogen.
Am Mittwoch blieb es im EU-Parlament allerdings bei den gewohnt
routinierten Scharmützeln. Der Ungar fuhr ein weiteres Mal mit der
Erkenntnis nach Hause: Ernsthaft kann mir nichts passieren. Das ist
bitter.
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