(ots) - In den Beziehungen zwischen Russland und dem
Westen herrscht unerwarteter Stillstand. Unerwartet deshalb, weil
viele Beobachter nach der Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten mit
einem Neustart gerechnet hatten. Inzwischen aber ist auch Trump auf
dem Boden der russischen Realität angelangt, auf dem sich
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) politisch seit Langem bewegt, wie
auch am Dienstag deutlich wurde. Routiniert absolvierte die deutsche
Regierungschefin ihr Treffen mit Kremlchef Wladimir Putin. Der Besuch
hätte angesichts der Kriege in Syrien und der Ukraine weit von jeder
Normalität entfernt sein müssen. Aber die Kanzlerin weiß, dass sie
bei Putin nur mit Ausdauer zum Ziel kommen kann. Also bohrt sie dicke
Bretter. Langfristig kann es nur darum gehen, einen echten Wandel in
Russland zu befördern, der durchaus nicht undenkbar ist. Das zeigen
die Proteste der jungen Leute, die seit Wochen auf die Straße gehen.
"Befördern" darf dabei aber nicht heißen: aktiv eingreifen. Denn zur
russischen Realität zählt vor allem die Verachtung für jegliche
Veränderungsdoktrin westlichen Typs, die sich mit dem Begriff
"Regimewechsel" verbindet. Eine große Mehrheit der Russen begreift
sich als Opfer einer solchen Strategie, die den Niedergang Russlands
unter Boris Jelzin bewirkt habe. Die finsteren 90er-Jahre haben sich
so tief in das kollektive Gedächtnis der Nation eingeschrieben, dass
es ohne einen ehrlichen Versuch, Weltpolitik auf Augenhöhe mit dem
Kreml zu betreiben, nicht funktionieren kann. Merkel hat das
begriffen, und deshalb geht sie immer wieder auf Putin zu. Das
liefert keine wahlkampftauglichen Nachrichten, aber es ist richtig.
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