(ots) - Aus Sicht der Sozialdemokraten in
Nordrhein-Westfalen ist die SPD-Wahlschlappe in Schleswig-Holstein
ein Sonderproblem der dortigen Genossen, vor allem des
Noch-Amtsinhabers Torsten Albig. Die NRW-CDU hingegen sieht die
bevorstehende Landtagswahl in einer Reihe mit den für die Union
erfolgreichen Urnengängen im Saarland und an der Küste. Diese
Interpretationen überraschen nicht: Die einen wollen mit Verlierern
nichts zu tun haben, die anderen wollen auf den Siegerzug
aufspringen.
Doch was stimmt wirklich? Fernab von den Unwägbarkeiten und
Kurzfrist-Entscheidungen unentschlossener Wähler deutet sehr viel
darauf hin, dass es in NRW ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen
Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) und CDU-Herausforderer
Armin Laschet geben wird. Dies mag selbstverständlich oder gar banal
klingen, war aber vor nicht allzu langer Zeit kaum vorstellbar. Die
Christdemokraten haben in den vergangenen Wochen kontinuierlich
aufgeholt und besitzen eine realistische Chance auf den
Regierungswechsel. Und die SPD wird den aktuellen Trend nicht
unterschätzen. Im Gegenteil.
Denn die jüngsten Wahlergebnisse bergen eine reale Gefahr für die
Sozialdemokraten. Die Parteibindungen sind auch in NRW gesunken, die
Zahl der Wechselwähler ist gestiegen. In dieser Situation entscheiden
Wähler gern für den Kandidaten, von dem sie erwarten, dass sie oder
er erfolgreich sein wird. Damit geben sie ihre Stimme der
vermeintlichen Gewinnerseite. Politik- und Parteienforscher, aber
auch Demoskopen sprechen hier vom Mitläufereffekt
("Bandwagon-Effekt"); man folgt dem Musikantenwagen, sprich dem
Festwagen, auf dem die Musik spielt. Dies könnte nach dem Saarland
und nach Schleswig-Holstein Folgen haben und sich zugunsten der
NRW-CDU auswirken. Klingt nach Küchenpsychologie, wird aber in vielen
Lebensbereichen, unter anderem auch in der Konsumforschung.
Ernüchtert dürften die Sozialdemokraten in Bund und Land auch zur
Kenntnis genommen haben, dass der erhoffte Schulz-Effekt des
SPD-Kanzlerkandidaten vollständig verpufft ist. Ebenso deutet alles
darauf hin, dass die NRW-Wahl durch die Landesthemen entschieden
wird. "Selbstverständlich!" mag man ausrufen, aber das ist es nicht.
Schon oft schlugen bundespolitische Themen in die Länder durch und
beeinflussten massiv die Wahlergebnisse. Der Agenda-2010-Frust, die
Griechenland-Hilfen oder die Flüchtlingskrise sind hier nur einige
Beispiele.
Doch Bundesthemen haben aktuell nicht annähernd diese Präsenz.
Vielmehr geht es um Nordrhein-Westfalen. Es geht um innere
Sicherheit, um Verkehr und Infrastruktur, um Wirtschaft und Schule.
Hier wird entscheidend sein, ob die Mehrheit der Wähler eher der
positiven Rot-Grün-Bilanz der SPD-geführten Landesregierung oder der
kritischen Sicht der Opposition folgt.
Und natürlich sind Wahlen auch immer Persönlichkeitswahlen.
Hannelore Kraft weist zwar nicht mehr die Sympathiewerte vergangener
Jahre auf, sie ist in NRW aber weiterhin sehr beliebt und eine
engagierte, bürgernahe Wahlkämpferin. Ihr Ansehen ist mit dem des
eher unbeliebten (und im Wahlkampf versagenden) Torsten Albig aus
Schleswig-Holstein kaum vergleichbar.
Inwieweit es Armin Laschet dem Kieler "Wahlsieger aus dem Nichts",
Daniel Günther, nachmachen kann, lässt sich derzeit nicht
prognostizieren. Dass Laschet zuletzt aber massiv aufgeholt hat,
macht den kommenden Wahlsonntag umso spannender. Die Wähler haben das
Wort!
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