(ots) - Kann die NRW-SPD den versprochenen "Neuanfang"
schaffen? Mit einem klaren Ja oder Nein ist das derzeit nicht zu
beantworten. Bisher hat die Partei nur erkannt, dass sie sich neu
erfinden müsste. Allerdings weckt die Art und Weise, mit der sie in
die Zeit nach Hannelore Kraft startet, keine großen Erwartungen. Die
SPD setzt zunächst weiter auf ihre alte Garde, ausgerechnet auf jene,
die die Niederlage zu verantworten haben. Eine Rebellion ist nicht
mal im Ansatz zu erkennen.
Woran es gelegen hat, dass sich so viele Wähler von der
Sozialdemokratie abgewendet haben, wissen sie inzwischen genau:
selbstgefälliger Wahlkampf, Personenplakate statt Themen, fehlende
Streitkultur in der Partei, zu große Distanz zum Bürger, zu braver
Auftritt. In der Analyse von Niederlagen ist die SPD stark. Wenn es
aber darum geht, diese Erkenntnisse in Politik zu verwandeln, bekommt
sie regelmäßig Angst vor der eigenen Courage.
Im Grunde möchte die SPD gar nicht artig sein. Kanzlerkandidat
Martin Schulz und die neue NRW-SPD-Generalsekretärin Svenja Schulze
lobten in Duisburg Labour-Chef Jeremy Corbyn für dessen engagierten
Wahlkampf in Großbritannien. Der sei einer, der den Konservativen die
Stirn biete, hieß es. Corbyn, den bis vor kurzem innerhalb und
außerhalb von England kaum jemand ernst nahm, ist aber das genaue
Gegenteil von den vielen braven Spitzen-Sozialdemokraten in
Deutschland. Der Labour-Mann ist dicht an der Basis, er fremdelt aber
mit der eigenen Parteielite.
Wenn Michael Groschek es ernst meint mit dem "Neuanfang, der sich
gewaschen hat", dann muss er seine Partei offen streiten und
experimentieren lassen. Dann muss er beizeiten auch die jungen Wilden
ranlassen, die noch Lust haben auf Politik. Den Altvorderen ist diese
Lust zuletzt nämlich abhanden gekommen.
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