(ots) - Ärzte ohne Grenzen hat wenige Tage vor dem
Weltflüchtlingstag die verheerende EU-Flüchtlingspolitik kritisiert.
"Gut ein Jahr nach dem EU-Türkei-Deal kann die wachsende Zahl von
Flüchtenden nicht mehr auf die Solidarität der EU und ihrer
Mitgliedsstaaten zählen", sagte Florian Westphal, Geschäftsführer der
deutschen Sektion der internationalen Hilfsorganisation, am Mittwoch
bei der Vorstellung des Jahresberichtes 2016 in Berlin.
"Schutzsuchende werden ausgesperrt und Menschen weltweit an der
Flucht gehindert, was diese körperlich und seelisch krank macht."
Ärzte ohne Grenzen leistete im Jahr 2016 in mehr als 40 Ländern
Nothilfe für Geflüchtete. Insgesamt war die Organisation in rund 70
Ländern aktiv. Die deutsche Sektion finanzierte mit 126,8 Mio. Euro
Projekte in mehr als 40 Einsatzländern. Die Gesamtausgaben von Ärzte
ohne Grenzen Deutschland lagen bei 142,5 Mio. Euro, die
Gesamteinnahmen bei 142,2 Mio. Euro. 132,8 Mio. Euro stammten aus
privaten Spenden und Zuwendungen. Das waren 14 Prozent mehr als im
Jahr 2015.
Westphal wies die Kritik der Bundestagsfraktion von CDU/CSU an der
Seenotrettung im Mittelmeer zurück. Deren innenpolitischer Sprecher
Stephan Mayer (CSU) hatte die Seenotrettung als "Shuttle-Service"
nach Italien kritisiert. "Diese Diskreditierung lebensrettender Hilfe
ist inakzeptabel", so Westphal. "Sollen wir die Menschen ertrinken
lassen?" Er kritisierte auch Pläne, Geflüchtete in libysche
Internierungslager zu bringen: "Wer Menschen in diese Hölle
zurückschicken will, handelt verantwortungslos und
menschenverachtend." Von der Bundesregierung forderte Westphal
sichere und legale Fluchtwege und ein ambitioniertes europäisches
Seenotrettungsprogramm. Außerdem müsse Deutschland dafür sorgen, dass
die libysche Küstenwache keinerlei Unterstützung erhalte, so lange
diese die Unversehrtheit der Flüchtenden nicht garantiere.
Der Vorstandsvorsitzende von Ärzte ohne Grenzen Deutschland,
Volker Westerbarkey, machte darauf aufmerksam, dass die weltweit
größten humanitären Krisen auch im Jahr 2016 nicht im Fokus der
Weltöffentlichkeit standen. So gehörte für Ärzte ohne Grenzen der
Einsatz im Südsudan im vergangenen Jahr wieder zu einem der
umfangreichsten weltweit. Teams der Organisation haben im vergangenen
Jahr im Südsudan fast eine Million medizinische Behandlungen
durchgeführt. Laut Vereinten Nationen sind rund 7,5 Millionen
Menschen, zwei Drittel der Gesamtbevölkerung des Landes, von
humanitärer Hilfe abhängig. "Gewalt steht im Südsudan am Anfang allen
Leids", sagte Westerbarkey, der Anfang des Jahres als Arzt im
Südsudan im Einsatz war. "Sie zwingt die Menschen in die Flucht,
verursacht Hunger und Armut, Krankheiten und hunderttausendfaches
Leid. Südsudanesische Flüchtlinge berichten von unvorstellbaren
Grausamkeiten. Den Menschen bleibt nichts, als Hals über Kopf zu
fliehen." Seit Ausbruch des aktuellen Konflikts sind fast vier
Millionen Menschen auf der Flucht vor Kämpfen und Gewalt. "An eine
Flucht Richtung Libyen oder gar Europa ist für die meisten
Südsudanesen übrigens gar nicht zu denken", so Westerbarkey.
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