(ots) - Die Piratenpartei Deutschland reicht
Verfassungsbeschwerde gegen das kürzlich in Kraft getretene
Videoüberwachungsverbesserungsgesetz beim Bundesverfassungsgericht in
Karlsruhe ein. Aus diesem Grund lädt die Partei am Mittwoch, 28.
Juni, um 11 Uhr zu einer Pressekonferenz in das A&O Hotel und Hostel
Karlsruhe Hauptbahnhof (Bahnhofplatz 14-16, 76137 Karlsruhe) ein, auf
der die Gründe und der Inhalt der Verfassungsbeschwerde im Detail
erläutert werden. Neben Patrick Schiffer, Vorsitzender der
Piratenpartei Deutschland, werden die Beschwerdeführer Anja
Hirschel, Spitzenkandidatin der Piratenpartei Deutschland aus
Baden-Würtemberg, und Stephan Körner, Spitzenkandidat der
Piratenpartei Bayern, teilnehmen. Frank Herrmann, ehemaliger
Abgeordneter im Landtag NRW, ist terminlich leider verhindert, äußert
sich dennoch energisch gegen die Ãœberwachungspraxis der
Bundesregierung:"Das 'Videoüberwachungsverbesserungsgesetz' ist ein
kleines Gesetz mit großer Wirkung. Durch nur zwei zusätzliche Sätze
im alten Bundesdatenschutzgesetz wird den für die Aufsicht
zuständigen Landesdatenschutzbeauftragten die Möglichkeit genommen,
Videoüberwachung im öffentlichen Raum zugunsten des Rechtes auf
Privatheit einzelner einzuschränken."
Durch die im Gesetz erfolgte Definition, dass Videoüberwachung
wirksam ist, "um Leben und Freiheit (der Menschen) zu schützen", sind
dem Einsatz von Überwachungskameras im öffentlichen Raum fast keine
Grenzen mehr gesetzt. Die individuellen Grundrechte der Menschen nach
Artikel 1 und Artikel 2 des Grundgesetzes sind hier nicht ausreichend
berücksichtigt. Für die Piratenpartei Deutschland ist daher schon
jetzt klar: Dieses Gesetz ist verfassungswidrig.
Stefan Körner, Spitzenkandidat der PIRATEN in Bayern: "Es ist eine
Farce, dass CDU und SPD unser aller Freiheit durch massive
Überwachung schützen wollen. Durch die Klage wollen wir erreichen,
dass die politische Definition der Wirksamkeit der Videoüberwachung
für nichtig erklärt wird. Das Gesetz schafft hier schlichtweg falsche
Fakten. Jeder neue Anschlag, bei dem nachher das Bild des Täters von
einer Überwachungskamera präsentiert wird, belegt, dass
Videoüberwachung untauglich ist, um Gefahren abzuwehren und Anschläge
zu verhindern. Leben und Freiheit werden durch Kameras eben nicht
geschützt. Videoüberwachung dient hauptsächlich der Dokumentation,
der Kontrolle und der Vereinfachung der Strafverfolgung. Aber um es
ganz klar zu sagen, eine allgemeine Dokumentation unseres täglichen
Lebens halte ich nicht für angemessen, nur um Straftaten einfacher
verfolgen zu können. Gesellschaftliche Probleme lassen sich nicht
durch Überwachung lösen."
Auch der flächendeckende Einsatz von Videoüberwachung in Bussen
und Bahnen sowie auf Bahnhöfen wird durch das Gesetz legitimiert. Ob
das notwendig ist, spielt im Gesetz keine Rolle mehr. "Man muss
dieses Vorgehen in Zusammenhang mit dem jetzt möglichen
automatisierten Zugriff von Polizei und Verfassungsschutz auf unsere
biometrischen Passbilder und die Pläne zur Einführung der
Gesichtserkennung an Bahnhöfen sehen. Die Vision der
Sicherheitsbehörden, jederzeit einen möglichen 'Gefährder' durch
Bilderkennung lokalisieren zu können, rückt näher. Und wir bewegen
uns in großen Schritten hin zum Überwachungsstaat. Das betrifft jeden
von uns! Dagegen müssen, dagegen werden wir uns wehren",
unterstreicht Anja Hirschel, Spitzenkandidatin der PIRATEN zur
Bundestagswahl, die Bedeutung der Verfassungsbeschwerde.
Aus diesem Grund erwartet die Piratenpartei Deutschland vom
Bundesverfassungsgericht, dass die große Koalition aus CDU, CSU und
SPD wieder einmal auf die Notwendigkeit hingewiesen wird, die
individuellen Grundrechte der Menschen in unserem Land zu schützen
und dass das Videoüberwachungsverbesserungsgesetz für nichtig erklärt
wird.
Zum Hintergrund:
Der Entwurf für das Videoüberwachungsverbesserungsgesetz [3] wurde
von der Bundesregierung bereits am 21.Dezember 2016 beschlossen [1].
Schon vorher wurde Kritik geäußert, unter anderem von der
Bundesdatenschutzbeauftragten, die den Entwurf harsch beanstandet
hat. In einer Entschließung der 92. Konferenz der unabhängigen
Datenschutzbehörden des Bundes und der Länder vom November 2016 wurde
die Bundesregierung aufgefordert, den Entwurf zurückzuziehen. Der
Gesetzentwurf wurde am 27. Januar 2017 dennoch in den Deutschen
Bundestag eingebracht. Am 15. Februar beschloss der Innenausschuss
eine Anhörung von Sachverständigen, die dann am 6. März auch
durchgeführt wurde. Wie so oft unterstützten die Sachverständigen der
Polizei das Gesetz, während es die unabhängigen Wissenschaftler, der
Richterbund und Datenschützer mehrheitlich als schlecht bis
verfassungswidrig einstuften.
Ohne sich durch die Meinung der Sachverständigen beirren zu
lassen, beschloss die schwarze-rote Mehrheit im Innenausschuss zwei
Tage nach der Anhörung am 8. März das Gesetz ohne Änderungen. Der
Deutsche Bundestag stimmte einen Tag später mit gleicher Mehrheit
kurz vor Mitternacht ebenfalls zu. Zu diesem Zeitpunkt, als es um
immense Einschnitte in die Grundrechte der Bevölkerung ging, waren
nur noch wenige Parlamentarier im Plenarsaal. Mit der
Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt ist das Gesetz am 5. Mai 2017
in Kraft getreten. [4]
Quellen:
[1] Pressemitteilung "Kabinett beschließt wichtige Vorhaben des
Bundesministeriums des Innern" , http://ots.de/hPqRc
[2] Aufforderung der 92. Konferenz der unabhängigen
Datenschutzbehörden des Bundes und der Länder:
"Videoüberwachungsverbesserungsgesetz" zurückziehen!,
http://ots.de/XFBXZ
[3] Der Gesetzentwurf, http://ots.de/HCeBp
[4] Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt, http://ots.de/RSbBC
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Pascal Hesse
Bundespressesprecher
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