(ots) - Vom bevorstehenden G20-Gipfel der Staats- und
Regierungschefs in Hamburg erwarten der Vorsitzende der Deutschen
Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, und der Ratsvorsitzende
der Evangelischen Kirche in Deutschland, Landesbischof Heinrich
Bedford-Strohm, dass die Orientierung am Wohl der einen
Menschheitsfamilie in den Vordergrund gestellt wird. Sie fordern die
Gipfelteilnehmer dazu auf, "mutige und weitreichende Maßnahmen zur
Lösung der Weltprobleme auf den Weg zu bringen". Kritiker der
Veranstaltung seien aufgerufen, "den politischen und
gesellschaftlichen Dialog ausschließlich auf gewaltfreiem Weg zu
suchen und sich gemeinsam der Verantwortung für die Eine Welt zu
stellen."
In einer gemeinsamen Erklärung betonen Kardinal Marx und
Landesbischof Bedford-Strohm, dass die G20 ihrer Bedeutung und ihrem
Anspruch dann gerecht werden, wenn sie dem gemeinsamen Leben und
Ãœberleben auf der Erde dienen und die Chancen der Armen auf eine
menschenwürdige Existenz stärken. "Es bereitet uns Sorge, dass in
vielen Teilen der Welt Bewegungen an Zuspruch gewinnen, die die
Verantwortung ihrer Länder für die Weltgemeinschaft bestreiten."
Angesichts der zurückgehenden Bereitschaft zu gegenseitiger
Unterstützung müsse in Erinnerung gerufen werden, dass ohne
internationale Zusammenarbeit und globale Solidarität die
Herausforderungen der Gegenwart nicht bestanden werden können.
Kardinal Marx und Landesbischof Bedford-Strohm nennen als Beispiele
die Klimaveränderungen, gewalttätige Großkonflikte sowie Armut und
extreme Ungleichheit.
Mit Blick auf die Erderwärmung drängen Kardinal Marx und
Landesbischof Bedford-Strohm darauf, dass die Pariser
Klimaschutzvereinbarung Grundlage der weiteren internationalen
Verhandlungen bleiben müsse. "Der Rückzug von den in Paris
übernommenen Verpflichtungen ist ebenso wenig verantwortliche Politik
wie eine nur halbherzige Umsetzung. Vom G20-Gipfel sollte deshalb das
Signal ausgehen, dass 'Paris' der Ausgangspunkt aller weiteren
Bemühungen um eine ambitionierte Klimapolitik bleibt."
Die beiden Kirchen erinnern auch an die von den Vereinten Nationen
2015 beschlossene "Agenda 2030" und die dort formulierten
"nachhaltigen Entwicklungsziele". Das weltweite Armutsniveau
bezeichnen sie als "humanitäre Katastrophe, die sich tagtäglich
ereignet". Afrika müsse künftig im Zentrum der internationalen
politischen Anstrengungen stehen. "Das ist nicht allein ein Gebot der
Solidarität mit jenen, die heute am stärksten von Armut geschlagen
sind. Es ist auch ein Gebot der Vernunft, denn gerade wir in Europa
werden dauerhaft keine Stabilität erleben, wenn die Nachbarn ihre
Verhältnisse nicht als menschenwürdig erleben", so Kardinal Marx und
Landesbischof Bedford-Strohm.
Vor allem mit Blick auf die Konflikte im Nahen und Mittleren Osten
erhoffen sich die Kirchenvertreter vom Gipfel in Hamburg das "Signal
für eine neue kooperative Sicherheits- und Friedenspolitik". Die
Staatenlenker müssten "jeder Aufrüstungsideologie widerstehen: Mehr
Waffen sind keine Lösung", heißt es in der Erklärung.
Hannover, 4. Juli 2017
Pressestelle der EKD
Carsten Splitt
"Mutige und weitreichende Maßnahmen zur Lösung der Weltprobleme
auf den Weg bringen"
Erklärung des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz,
Kardinal Reinhard Marx, und des Ratsvorsitzenden der Evangelischen
Kirche in Deutschland, Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm, zum
G20-Gipfel am 7. und 8. Juli 2017 in Hamburg
Die Blicke der Weltöffentlichkeit richten sich in den kommenden
Tagen auf Hamburg, wo die Staats- und Regierungschefs der
wirtschaftlich und politisch stärksten Länder zusammenkommen. Die G20
sind kein repräsentatives Organ der internationalen Gemeinschaft,
aber sie können die Kraft der großen Staaten bündeln und somit
erheblichen Einfluss auf die weltweiten Entwicklungen nehmen. Wenn
wir als Kirchen zum bevorstehenden G20-Gipfel Stellung nehmen, so
wollen wir hier nicht in die Diskussion einzelner politischer Fragen
eintreten, sondern alle, die an Beratungen und Verabredungen
beteiligt sind, an ihre Verantwortung für das globale Gemeinwohl
erinnern. Die G20 werden ihrer Bedeutung und ihrem Anspruch dann
gerecht, wenn sie dem gemeinsamen Leben und Ãœberleben auf unserer
Erde dienen und die Chancen der Armen auf eine menschenwürdige
Existenz stärken.
Es bereitet uns Sorge, dass in vielen Teilen der Welt Bewegungen
an Zuspruch gewinnen, die die Verantwortung ihrer Länder für die
Weltgemeinschaft bestreiten. Die Unübersichtlichkeit der
internationalen Verhältnisse, das Gefühl des Kontrollverlustes bei
der Gestaltung der nationalen Angelegenheiten und die Enttäuschungen
angesichts negativer Aspekte der Globalisierung schwächen den Sinn
für die Erfordernisse der internationalen Kooperation. In vielen
Ländern schwindet die Bereitschaft zur Solidarität. Staatliche
Selbstbezogenheit, Unilateralismus, Isolationismus und Nationalismus
nehmen zu. Gerade deshalb muss in Erinnerung gerufen werden, dass
ohne internationale Zusammenarbeit und globale Solidarität die
Herausforderungen unserer Gegenwart nicht bestanden werden können:
Die Klimaveränderungen machen nicht an Grenzen halt. Gewalttätige
Großkonflikte fördern den Terrorismus und treiben Menschen auf
Fluchtwege, die bis in andere Kontinente führen. Wir sind als eine
Menschheitsfamilie auf dieser Erde miteinander verbunden. Armut und
extreme Ungleichheit gefährden die globale Stabilität. Wir sind
überzeugt: Der G20-Gipfel kann der Kritik an internationalen
Verträgen und Strukturen am besten dadurch begegnen, dass mutige und
weitreichende Maßnahmen zur Lösung dieser großen Weltprobleme auf den
Weg gebracht werden.
Zahlreiche zivilgesellschaftliche Initiativen fordern im Umfeld
des G20-Gipfels Gerechtigkeit in den internationalen Beziehungen. Sie
äußern damit ein verständliches Unbehagen am gegenwärtigen Umgang mit
den krisenhaften Umbrüchen der globalen Ordnung. Als Kirchen rufen
wir dazu auf, den politischen und gesellschaftlichen Dialog
ausschließlich auf gewaltfreiem Weg zu suchen und sich gemeinsam der
Verantwortung für die Eine Welt zu stellen.
Im Dezember 2015 hat die Staatengemeinschaft in Paris ein
Übereinkommen über den Klimaschutz erzielt. Diese Vereinbarung muss
Grundlage der weiteren internationalen Politik wie der Politik in den
einzelnen Ländern bleiben. Der Rückzug von den in Paris übernommenen
Verpflichtungen ist ebenso wenig verantwortliche Politik wie eine nur
halbherzige Umsetzung. Zu viel steht auf dem Spiel: für die
wirtschaftlich starken Staaten, vor allem aber für die armen Länder,
die sehr viel weniger Möglichkeiten haben, sich an die neuen
Bedingungen anzupassen. Vom G20-Gipfel in Hamburg sollte deshalb das
Signal ausgehen, dass "Paris" der Ausgangspunkt aller weiteren
Bemühungen um eine ambitionierte Klimapolitik bleibt und das Ziel
einer Begrenzung des globalen Temperaturanstiegs auf deutlich unter
zwei Grad Celsius gegenüber der vorindustriellen Zeit nicht in Frage
gestellt wird.
Auch wenn der Anteil der Armen an der Weltbevölkerung in den
letzten Jahrzehnten deutlich zurückgegangen ist, bleibt die absolute
Zahl derjenigen, denen das Nötigste zum Leben fehlt, erschreckend
hoch. Dies ist eine humanitäre Katastrophe, die sich tagtäglich
ereignet. Um das zu verändern, braucht es das Zusammenspiel vieler
politischer Akteure und Politikbereiche. Die von den Vereinten
Nationen im September 2015 beschlossene "Agenda 2030" und die dort
formulierten "nachhaltigen Entwicklungsziele" sind hier wegweisend.
Die Länder des globalen Südens haben die Verantwortung, unter
Umständen auch gegen die Interessen führender Schichten
einschneidende Veränderungen vorzunehmen: eine Fokussierung auf die
armen Bevölkerungsgruppen, eine "gute Regierungsführung" mit Kampf
gegen Korruption und Klientelismus, Verbesserungen der
Arbeitsbedingungen und Reformen im Bereich der Landwirtschaft. Auf
der internationalen Ebene müssen diese Anstrengungen durch eine
Entwicklungspolitik ergänzt werden, die die Bedürfnisse der Armen in
den Mittelpunkt stellt, und durch eine Handelspolitik, die es armen
Ländern ermöglicht, die eigenen Stärken auf den internationalen
Märkten zum Tragen zu bringen. Afrika muss im Zentrum dieser
Anstrengungen stehen. Das ist nicht allein ein Gebot der Solidarität
mit jenen, die heute am stärksten von Armut geschlagen sind. Es ist
auch ein Gebot der Vernunft, denn gerade wir in Europa werden
dauerhaft keine Stabilität erleben, wenn die Nachbarn ihre
Verhältnisse nicht als menschenwürdig erleben.
An vielen Orten der Welt bestimmen gewalttätige Konflikte das
Leben der Menschen. Besonders bedrängend ist die Situation im Nahen
und Mittleren Osten. Syrien, Irak und Jemen versinken in Krieg,
Bürgerkrieg und Terrorismus. Hunger, Flucht und Tod bestimmen den
Alltag unzähliger Menschen. Ohne ein abgestimmtes Agieren der
Weltgemeinschaft wird sich das Leiden der Zivilbevölkerung auf lange
Frist fortsetzen. Stattdessen erleben wir, dass manche der Mächte,
die auch in Hamburg am Tisch sitzen werden, im Mittleren Osten um
eigene Vorteile kämpfen und zur Eskalation der Gewalt beitragen. Vom
G20-Gipfel können zwar keine unmittelbar wirksamen Lösungen für diese
Region erwartet werden. Wohl aber sind die in Hamburg versammelten
Staatenlenker aufgerufen, das Treffen zu einem Signal für eine neue
kooperative Sicherheits- und Friedenspolitik zu machen und jeder
Aufrüstungsideologie zu widerstehen: Mehr Waffen sind keine Lösung!
Für uns Christen gehört jeder Mensch auf der Erde zu der einen
Menschheitsfamilie. Alle sind Geschöpfe Gottes, mit gleicher Würde
begabt. Über die Kontinente verstreut, gehören wir als Menschen
zusammen und tragen Verantwortung füreinander. In der säkularen
Sprache der Menschenrechte hat sich diese Ãœberzeugung global
verbreitet. Unser kräftiger Wunsch für den G20-Gipfel ist deshalb:
Die Orientierung am Wohl der einen Menschheitsfamilie sollte in
Hamburg vorherrschen. Möge dieser Gipfel für die Armen der Welt nicht
folgenlos bleiben! Dafür treten wir ein und dafür beten wir zum
Schöpfer aller Menschen.
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