(ots) - Wer sich am Freitag die Bilder der Nacht von
Hamburg und die Fotos und Videos des Morgens in der Hansestadt
angesehen hat, kann kaum glauben, dass es sich nicht um ein
Kriegsgebiet handelt. Rauchschwaden am Himmel, brennende Autos,
Verwüstungen in der Stadt. Der Protest gegen den G20-Gipfel hat das
befürchtete gewalttätige Ausmaß angenommen. Und sein Ziel verfehlt:
auf die Probleme der Welt und dieses Gipfeltreffens aufmerksam zu
machen. Es gibt so vieles anzuprangern an diesem Format des Treffens.
Warum es überhaupt nötig ist, hunderte von Politikern, Beratern,
Stabsangehörigen um den Globus zu schicken, um ihnen die Möglichkeit
zu einem Austausch zu geben, den sie ja ohnehin ständig pflegen
(sollten). Die Kosten, auch die ökologischen, stehen in keinem
Verhältnis zum Nutzen dieser Treffen. Die Idee, sich künftig nur mehr
an einem festen Ort zu treffen, etwa in New York, wie es
Außenminister Gabriel vorgeschlagen hat, ist nicht neu, aber
angesichts dessen, was sich in Hamburg abspielt, eine Ãœberlegung
wert. Andererseits verschiebt es die Demos und Krawalle nur an einen
andere Ort. Die inhaltlichen Probleme dieser Gipfel wären damit
ohnehin nicht gelöst. Denn was berechtigt die G20 eigentlich, über
das Schicksal der Welt zu entscheiden? Haben wir nicht noch diese
andere internationale Großorganisation, die sich Vereinte Nationen
nennt und (seit wie vielen Jahren eigentlich?) zu einem elitären
Debattierclub geworden ist, der nun durch einen noch elitäreren in
seiner Bedeutung unterminiert wird? Es ist natürlich korrekt, dass
die G20 die wirtschaftlich mächtigsten Staaten repräsentieren und
damit auch diejenigen, die in der Lage sein sollten, die Probleme,
die in den meisten Fällen sie selbst verursacht haben, auch zu lösen.
Wer aber daran glaubt, dass etwa das Problem der globalen Erwärmung
bei einem Treffen gelöst wird, dessen prominentester Teilnehmer
gerade aus dem Pariser Klimaschutzabkommen ausgetreten ist, glaubt
wahrscheinlich auch noch an den Weihnachtsmann. Nein, dieser Gipfel
wird seinem Anspruch nicht gerecht, für eine bessere Welt zu sorgen.
Weil er es nicht kann. Und dagegen darf, vielleicht sogar muss
demonstriert werden. Weil sonst die Belange der Menschen, die unter
den direkten Folgen der Politik der Mächtigen leiden, überhaupt keine
Beachtung finden. Demonstrationen sind Teil einer lebendigen
Demokratie, Ausdruck des Widerstands gegen eine systemimmanent
drohende Entrücktheit von Entscheidungsträgern in Politik und
Wirtschaft in globalen Zeiten. Was aber in Hamburg, oder zuletzt in
den meisten anderen Tagungsorten der G20, der G8 oder G7 passiert,
ist nicht maximaler Protest. Es ist nicht der ultimative Weg, um auf
die Probleme der Welt hinzuweisen. Es ist Gewalt aus Freude an der
Gewalt, Protest aus Lust an der Anarchie. Die fundamentale
Kapitalismuskritik, die vielleicht dahinter steckt, gehört zwar mit
zum Spektrum dessen, was eine demokratische Gesellschaft ertragen
muss. Leider dürfte die Zahl der von dieser Fundamentalkritik
Ãœberzeugten geringer sein als die Zahl der Randalierer in Hamburg.
Die Aufmerksamkeit, die sie ohne Zweifel erzeugen, erzeugt aber im
Gegenzug nicht Bewusstsein für die Probleme des G20-Gipfels. Die
Diskussion dreht sich nicht um die Inhalte der Gespräche, nicht um
die Anliegen der überwiegenden Zahl der friedlichen Demonstranten.
Die Debatte geht um die Krawalle. Sie ist Wasser auf die Mühlen
aller, die das Recht auf freie Meinungsäußerung anzweifeln.
G20-Teilnehmer wie Putin bekommen gerade Argumente frei Haus
geliefert.
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